Thema des Tages

01-12-2016 14:40

Der Taupunkt - ein Multitalent in der Wettervorhersage

Wasserdampf spielt in der Meteorologie eine entscheidende Rolle. Der
gasförmige Aggregatzustand des Wassers ist trotz seiner getarnten
Erscheinungsform als unsichtbares und geruchsloses Gas ein
omnipräsenter Bestandteil der Troposphäre. Die Troposphäre ist die
unterste Schicht der Erdatmosphäre, die in Abhängigkeit von der
Temperatur eine Mächtigkeit von etwa acht Kilometern an den Polen und
bis rund 17 Kilometern am Äquator erreicht. Dort spielen sich nahezu
alle wetterrelevanten Vorgänge wie beispielsweise Wolkenbildung und
Niederschlagsprozesse ab.

Im heutigen Thema des Tages soll es aber insbesondere um den
Wasserdampfgehalt in bodennahen Luftschichten gehen. In der
Wettervorhersage hat sich diesbezüglich der sogenannte "Taupunkt" am
meisten bewährt. Er definiert die Temperatur, auf die ein
ungesättigtes Luftquantum über einer ebenen, chemisch reinen
Wasserfläche abgekühlt werden muss, um zur Sättigung zu gelangen. Im
Sättigungszustand beträgt die relative Luftfeuchte 100 Prozent,
folglich sind Taupunkt und Temperatur dann gleich. Im Falle einer
Übersättigung ist die Luft nicht mehr in der Lage zusätzliche Feuchte
aufzunehmen, womit sich der überschüssige Wasserdampf in Form von
Dunst und Nebel bemerkbar machen würde. Da konform der
Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die Temperatur standardmäßig
in zwei Metern Höhe gemessen wird, liefert die Feuchtemessung im
gleichen Niveau den dazugehörigen Taupunkt. Die Differenz wird als
sogenannter "Spread" (engl.: Spanne) bezeichnet. Unter Meteorologen
hört man dann zum Beispiel auch gerne kurz und knapp: "Oh, Berlin hat
schon zehn über minus zehn." Das bedeutet, dass in Berlin aktuell die
Lufttemperatur in zwei Metern zehn Grad beträgt bei einem
gleichzeitigen Taupunkt von minus zehn Grad (Spread = 20). Die
relative Luftfeuchte würde in diesem Fall nur rund 23% betragen, die
Luft ist also sehr trocken.

Der Taupunkt kommt nun in der täglichen Praxis bei verschiedensten
Vorhersageparametern zum Einsatz.

1.) Nebel

Da - wie bereits im oberen Abschnitt erwähnt - Nebel eine
Übersättigung der Luft darstellt, ist die Zuhilfenahme des Taupunkts
für die Nebelvorhersage essentiell. Ist beispielsweise in den
Nachtstunden mit Auflockerungen und schwachem Wind zu rechnen und war
der Spread in den Abendstunden ohnehin schon gering, so ist die
Nebelwahrscheinlichkeit erhöht.
Oder streicht in einem anderen Fall eine feucht-warme Luftmasse mit
hohen Taupunkten über kalte Gewässer, bei denen die Wassertemperatur
unterhalb des Taupunkts liegt , wird die Luft in den oberflächennahen
Schichten rasch abgekühlt, so dass Übersättigung und damit
Nebelbildung einsetzt. Bei Süd- oder Südwestlagen ist dieses
Naturschauspiel des Seenebels hierzulande oft im Frühjahr über der
Nord- und Ostsee zu bestaunen.

2.) Minimumtemperatur

Bei Lagen ohne Luftmassenwechsel liefert der Taupunkt in den
Abendstunden allgemeinhin einen guten Richtwert für die zu erwartende
Tiefsttemperatur. Bewegt er sich sehr nahe an der gemessenen
Temperatur (Spread nahe null), ist kaum mit einer signifikanten
Abkühlung in den Nachtstunden zu rechnen. Ist die Differenz im
umgekehrten Fall sehr groß, setzt meist schon mit dem Sonnenuntergang
eine rasche Temperaturabnahme ein.

3.) Schneefall

Auch Aussagen bezüglich Fragestellungen wie: "Fällt Schnee und wenn
ja, bleibt er auch liegen?" können mit Hilfe des Taupunkts
abgeschätzt werden. Beträgt der Mittelwert von Temperatur und
Taupunkt (entspricht näherungsweise der sogenannten
"Feuchttemperatur") kleiner zwei Grad, so ist das Auftreten von
Schneefall in der Regel wahrscheinlich, bei null Grad oder weniger
bleibt der Schnee bei geeigneten Bodentemperaturen auch liegen. Sehr
eindrucksvoll konnte diese Faustformel auch beim Nassschneefall am
gestrigen Mittwoch in der Lausitz und dem Erzgebirgsvorland
beobachtet werden. Aufgrund der kalten Vorgeschichte der vergangenen
Tage war die Luft dort bei einsetzendem Niederschlag noch sehr
trocken (tiefe Taupunkte), wodurch anfangs Schnee fiel. Auf den
gefrorenen Böden blieb dieser zunächst auch liegen, ehe die
Feuchttemperatur (respektive der Taupunkt) in den Abendstunden auf
über null Grad anstieg. Dadurch gingen die Niederschläge in Regen
über und der gefallene Schnee schmolz wieder weg.

4.) Wolkenuntergrenze

Gerade in der Flugmeteorologie ist die Kenntnis der Faustformel nach
Henning elementar. Sie besagt, dass der Spread multipliziert mit 125
näherungsweise die Untergrenze von Quellwolken in Metern ergibt.

Wie Sie sehen, kann der oft unscheinbare Taupunkt bei der eigenen
Vorhersage und Durchsicht der Wetterkarten auf vielfältigste Art und
Weise nützliche Dienste leisten. Vielleicht in Zukunft ja vermehrt
auch bei Ihnen?

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.12.2016

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