Thema des Tages

09-12-2016 14:40

Wo steckt der Winter?

Während sich Meeresluftmassen, die mit Tiefausläufern nach
Mitteleuropa gelangen, im Winter mildernd auf das Temperaturregime
auswirken, und uns in Deutschland auch in diesem Jahr bislang vor
allzu negativen Temperaturexzessen bewahrten, treten die Extrema auf
der Erde stets hochdruckbeeinflusst in wetterberuhigten Arealen auf,
wo der lokale Strahlungs- und Energiehaushalt gegenüber advektiven
Einflüssen dominiert.

Das trifft im Falle der Tiefsttemperaturen des nordhemisphärischen
Winters vor allem auf die Regionen hoch im Norden und/oder tief im
Inneren Asiens zu. So verwundert es niemanden, dass derzeit Sibirien
die kälteste Region der Erde ist. Allerdings führt in diesen Tagen
nicht etwa die im Ostsibirischen Bergland gelegene, legendäre Station
Oimjakon - in Fachkreisen als "Kältepol der bewohnten Welt" bekannt -
die Froststatistik an. Vielmehr liegen die Minima derzeit weiter
westlich, und zwar im Bereich der Mitteljakutischen Niederung bzw. im
Einzugsgebiet des sibirischen Flusses Lena.

Spitzenreiter bei den nächtlichen Tiefsttemperaturen bis
Donnerstagfrüh, 08.12.2016, 00:00 Uhr UTC (10:00 Uhr Ortszeit), ist
die Station Kjusjur am Unterlauf der Lena (70°38'N, 127°31'E, 30 m
Höhe) mit -51,1 °C. Darüber hinaus wurden in der Gegend vielerorts
Minima nahe -50 °C beobachtet. Bis zum heutigen Freitag bildete sich
über der Laptewsee (Randmeer des Arktischen Ozeans an der Nordküste
Russlands zwischen Sewernaja Semlja und den Neusibirischen Inseln)
ein Tiefdruckgebiet. Die damit verbundene Bewölkung, Luftbewegung
sowie Durchmischung der unteren Troposphäre sorgten indessen dafür,
dass diese bisher tiefsten Werte dieses Winters in der vergangenen
Nacht nicht erreicht worden. Dennoch muss man im weiteren Verlaufe
der kalten Jahreszeit damit rechnen, dass die Temperatur dort noch
bis ca. -55 °C sinkt.

Neben ihren geografischen Positionen - quasi am Polarkreis (66,57°N)
oder weiter nördlich und im Winter mit wenig Sonnenschein, sowie weit
genug entfernt vom Einfluss der atlantischen Westwinddrift - liegen
diese kalten Stationen häufig in Tälern oder Hochtälern, so dass
außerdem die Möglichkeit zur Bildung von Kaltluftseen besteht.
Meteorologische Hauptursache für derartige Extrema sind
Hochdruckgebiete in der arktischen Luftmasse, die eine geringe
vertikale Mächtigkeit besitzen und in der höheren Atmosphäre von
tiefem Luftdruck überlagert sind. Die zur Ruhe gekommene Polarluft
wird durch strahlungsbedingte Auskühlung der bodennahen
Luftschichten, insbesondere bei klarem Nachthimmel über Schneeflächen
(derzeit Schneehöhen von 40 bis 50 cm), immer kälter und wirkt
schließlich klimabildend.

Die Karte unten
(http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/12/09.html) zeigt
etwa den Sektor von 75 °N bis 55 °N und von 100 °E bis 150 °E, mit
den nächtlichen Tiefsttemperaturen in ganzen [°C] sowie den Isobaren
des auf Meeresniveau reduzierten Luftdruckes der Modellanalyse des
GFS vom 08.12.2016, 00:00 Uhr UTC (10:00 Uhr Ortszeit). Zwischen den
1020-hPa-Isobaren erstreckt sich quasi meridional eine schmale
Hochdruckbrücke.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.12.2016

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