Thema des Tages

26-12-2016 14:40

Stürmische Weihnachten

Schon vor vier Wochen hatten wir, wenn auch als wissenschaftliche
Spielerei, orkanartige Böen für Weihnachten angekündigt.
Dass die seit gestern auf einigen Bergen und heute Abend auch für die
Küste angekündigten orkanartigen Böen nun tatsächlich einzutreffen
scheinen, hat mit der damaligen Vorhersage eher wenig zu tun.
Vor vier Wochen war die Ursache des kräftigen Windes, wie schon beim
Weihnachtsorkan Lothar unseligen Gedenkens, ein kleines Tief
innerhalb eines großen Tiefs, ein sogenannter Schnellläufer, der für
die notwendigen Druckdifferenzen sorgt, um kräftigen Wind zu
generieren.
Dieses Jahr allerdings ist die Ursache für das Windmaximum im Laufe
der ersten Nachthälfte zum Dienstag das Zusammenspiel von Tief
"Barbara" und Hoch "Yörn". Während "Barbara" ein X-beliebiges
Sturmtief, zeitweise Orkantief ist, dass sich Richtung Skandinavien
verlagert, rauscht das Hoch "Yörn" ungewöhnlich schnell, fast ist man
geneigt diesem Hoch den den Tiefs vorbehaltenen Begriff
"Schnellläufer" zuzuordnen, in zwei Tagen knapp 4000 km von West nach
Ost. Es liegt heute Abend über Cornwall im Südwesten von England.
Barbara dagegen bewegt sich in der gleichen Zeit nur ca. 2000 km und
teilt sich in einen nördlichen und einen südlichen Teil über Nord-
bzw. Südskandinavien auf. Daher gelangt "Yörn" rasch in die
Nachbarschaft Barbaras und somit kann sich die für den starken Wind
notwendige Druckdifferenz aufbauen. Wenn man sich nur die
Bodenwetterkarte, die üblicherweise in den Zeitungen abgedruckt wird,
anschaut, ist es zunächst unklar, ob man vom Sturmtief Barbara oder
vom Sturmhoch "Yörn" sprechen sollte.
Warum wir dann doch vom Sturmtief sprechen, liegt daran, dass die
Böen, die letztendlich die Windereignisse charakterisieren, durch
meteorologische Vorgänge in der Höhe ausgelöst werden, die eindeutig
zu einem Tief gehören. Kurz gefasst: Der Isobarenabstand zwischen
Barbara und "Yörn" führt verbreitet zu einem Bodenwind der Stärke
7-8, also etwa 50-75 km/h. Die Reibung über der Erdoberfläche hat
dabei, über Wasser mehr, über Land weniger, den Wind in der Messhöhe
von 10 m bereits abgebremst. Der reibungsfreie, also nicht
abgebremste Wind in der Höhe ist also stärker. Auf Sylt
beispielsweise ist für kommende Nacht ein Mittelwind in 10 m von Bft
8 (ca. 70 km/h) vorhergesagt, in 700 m Höhe wird er mit Bft 12 (> 118
km/h) prognostiziert.
Bei einem Hoch bliebe das mangels Luftaustausch zwischen den
Höhenschichten der bodennahe Wind bei 7-8 Bft. Durch die
meteorologischen Vorgänge bei einem Tief allerdings wird örtlich Luft
aus tieferen und höheren Schichten ausgetauscht (Konvektion). Dann
kann sich die Windgeschwindigkeit, die eigentlich nur in höheren
Schichten zu finden ist, kurzzeitig auch am Boden durchsetzen und
wird dann als Bö gemessen.
Da Berge, und hier vor allem der Brocken als einsamer Gipfel in
relativer Nordseenähe, in das Höhenwindfeld ragen, gibt es dort
natürlich verbreitet Orkanböen. Von Ausflügen dorthin ist daher
abzuraten.

Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.12.2016

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