Thema des Tages

29-12-2016 14:40

Erst früherer Abend, dann späterer Morgen...

Während unsere bäuerlichen Altvorderen sich in ihren Aktivitäten nach
dem Sonnenstand richteten, teilen wir unseren Tag nach der Uhrzeit
ein, unser Leben wird von Arbeitsabläufen, Terminen und Fahrplänen
bestimmt. Die langen und dunklen Winternächte machen es uns deutlich,
wir leben mit einer künstlichen Zeit, die von Armbanduhr und
elektrischem Licht bestimmt wird. So sind wir im Winter buchstäblich
von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf den Beinen, wogegen uns im
Sommer der dann sehr frühe Sonnenaufgang meist entgeht.

Aufmerksamen Zeitgenossen fällt daher gerade in diesen Wintertagen
etwas Merkwürdiges auf. Zwar war der Tag der Sonnenwende am 21.
Dezember 2016 der kürzeste, jedoch fand der früheste Sonnenuntergang
dieses Jahres bereits am 12. Dezember statt, beispielsweise in
Frankfurt am Main (50°07'N, 08°41'E) um 16:24 Uhr Mitteleuropäischer
Zeit (MEZ). Seitdem verschiebt sich der Sonnenuntergang zeitlich nach
hinten. Demgegenüber erfolgt der späteste Sonnenaufgang in diesem
Winter am 31. Dezember 2016, in der Mainmetropole z.B. um 08:25 Uhr.
Bis dahin verschiebt sich der Sonnenaufgang zeitlich nach hinten.

Dies hat seine Ursache in zwei Phänomenen, und zwar in der
Exzentrizität der Erdbahn sowie der Neigung der Erdbahnebene
gegenüber dem Äquator. Beide Effekte bewirken eine Differenz zwischen
Wirklicher Sonnenzeit oder Wahrer Ortszeit (WOZ, wird von der
Sonnenuhr angezeigt) und einer modellhaften Mittleren Sonnen- oder
Mittleren Ortszeit (MOZ), welche auch von unseren gleichmäßig
laufenden, heute sehr präzisen Uhren angezeigt wird. Beide Phänomene
erzeugen im Jahresgang sinus-ähnliche Kurven der Zeitdifferenz mit
leicht phasenverschobenen Extremwerten, ihre Überlagerung findet sich
in der sog. Zeitgleichung wieder.

Deren deutlichste Änderung zeigt sich in den Tagen um die
Wintersonnenwende, mit Vorzeichenwechsel am 25. Dezember, während
sich die Tageslängen nur geringfügig verkürzen bzw. verlängern. Mitte
Dezember ist die Zeitgleichung noch positiv, die Sonnenuhr geht vor,
d.h. die wirkliche Sonne ist schneller als die mittlere und sinkt
daher, gemessen nach unserer Uhrzeit, früher unter den Horizont.
Anfang Januar ist die Zeitgleichung schon deutlich negativ, eine
Sonnenuhr ginge nach, d.h. die wirkliche Sonne ist langsamer als die
mittlere und geht daher, verglichen mit unserer Uhrzeit, später auf.
Aufmerksame Zeitgenossen irren sich also nicht, wenn es ihnen in der
Adventszeit abends, zu Beginn des neuen Jahres hingegen morgens
besonders dunkel erscheint.

Unter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/12/29.html
finden Sie eine von Thomas Steiner (2007) angegebene graphische
Darstellung der Abweichungen der Mittleren von der Wahren Ortszeit
[min] in Abhängigkeit von der Jahreszeit [d]. Der durch die Schiefe
der Ekliptik verursachte Anteil (violette gestrichelte Kurve)
überlagert sich mit der durch die Elliptizität der Erdbahn bewirkten
Komponente (dunkelblaue Strich-Punkt-Linie) zur Zeitgleichung (fette
rote Linie), wobei beide Anteile nicht voneinander unabhängig sind.
Negative Zahlenwerte bedeuten, dass die WOZ der MOZ nachläuft, eine
Sonnenuhr also nachginge. Positive Abweichungen zeigen ein
Vorauseilen der WOZ gegenüber der MOZ bzw. ein "Vorgehen" der
Sonnenuhr.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.12.2016

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