Thema des Tages

15-01-2017 14:40

Kahlfrost

Das sich derzeit über Skandinavien entwickelnde Hoch Brigitta wird
während der gesamten Woche verbreitet zu mäßigem bis strengem
Nachtfrost führen.
Während dann weite Teile Deutschlands unter einer Schneedecke liegen,
bleibt es insbesondere in den landwirtschaftlich genutzten Bereichen
oftmals schneefrei.

Man spricht von Kahlfrost wenn es über winterlich kahlem und
schneefreiem Boden frostig wird.
Dann lauten die Prognosen beispielsweise:
Tiefstwerte um -8, über Schnee um -15 Grad.
Und trotzdem wären den Landwirten die -15 Grad über Schnee lieber als
die -8 Grad ohne Schnee.
Was sich zunächst paradox anhört, lässt sich leicht erklären.

Zunächst machen wir mal ein Gedankenexperiment.
Halten Sie mal ein 10 cm langes Metallrohr mit bloßen Händen an der
einen Seite und das andere Ende in eine Kerzenflamme. Nach kurzer
Zeit werden sie sich die Finger verbrennen, da das Metall die Wärme
gut überträgt (hohe Wärmeleitfähigkeit).
Machen Sie das gleiche mit einem Glasrohr, so können Sie dieses
festhalten bis Ihnen der Arm einschläft oder die Kerze abgebrannt
ist, denn das Glas leitet die Wärme nur unmerklich weiter.
Mit Kälte funktioniert das ähnlich, aber weniger anschaulich.

Die aufgelaufene Saat des Wintergetreides über strengen Frost nicht
so ganz glücklich und Kahlfrost macht ihr sehr zu schaffen.
Warum ist das so?
Zum einen ist es in Bodennähe in der Regel noch kälter als die
vorhergesagte Temperatur in der Wetterhütte. Die Pflanzen halten sich
daher ohne Schneebedeckung in der kältesten Zone auf.
Zum anderen dringen die kalten Temperaturen an der Erdoberfläche
schnell auch bis zur Wurzel vor, denn die Wärmeleitfähigkeit nackten
Erdbodens entspricht eher dem Metall als dem Glas im obigen
Gedankenexperiment.

Bei Schnee stellt sich die Situation gänzlich anders dar.
Schnee kühlt zwar an seiner Oberfläche stark aus, daher die viel
kälteren Temperaturen über dem Schnee als über dem Schneefreien
Erdboden. Gleichzeitig aber leitet Schnee, ähnlich wie Glas, die
Temperaturen nur sehr träge Richtung Erdoberfläche, deren Temperatur
daher nur wenig unter null Grad sinkt. Der Schnee wirkt also wie
Dämmmaterial an einer Hauswand.
Daher sind -20 Grad über Schnee für die Pflanzen wesentlich
angenehmer als -10 Grad am schneefreien Boden.
Kahlfrost hat es bei uns schon bis nahe -20 Grad gegeben, die
Landwirte haben dann bis zur Ernte über die Verluste geklagt.
In der nächsten Woche erwarten wir Kahlfrosttemperaturen bis - 10
Grad.
Es wird also nicht ganz so dramatisch, zudem Wintergetreide eine
Frostperiode zum Schossen im Frühjahr braucht.

Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.01.2017

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