Thema des Tages

05-02-2017 14:40

Der Golfstrom - die schwächelnde Heizung Europas?

1513 entdeckte der spanische Seefahrer Juan Ponce de Leon vor der
Küste Floridas eine starke oberflächennahe südliche Meeresströmung,
die seinen Schiffen das Vorwärtskommen nach Westen erheblich
erschwerte. Als Golfstrom wird in der Öffentlichkeit das
Strömungssystem des Ozeans bezeichnet, das vom Golf von Mexiko
nordostwärts und als Nordatlantikstrom schließlich bis an die Küste
Norwegens reicht. Ihm haben Teile Europas ihr außerordentlich mildes
Klima zu verdanken. Der Golfstrom ist entlang der US-Ostküste nur
etwa 100 km breit und seine Strömungsgeschwindigkeit liegt bei nur 6
km/h. Östlich von Neufundland geht er in den sogenannten
Nordatlantikstrom über, der sich in zwei Äste teilt. Der nördliche
Ast zeigt in Richtung Nordmeer und greift mit einer Randströmung bis
in die Nordsee aus. Der südliche Ast weist zu den Kanaren.

Auf seinem Weg nach Norden transportiert der Golfstrom normalerweise
erhebliche Mengen warmen Wassers aus subtropischen Breiten Richtung
Westeuropa. In der Karibik ist das Wasser durchschnittlich bis zu 30
°C warm, am Nordende des Golfstroms vor Neufundland immerhin noch 20
°C. Dort trifft er auf den kalten Labradorstrom und verliert dadurch
an Kraft. Die Wassertemperaturen sind jedoch auch vor Irland über das
ganze Jahr hinweg noch so warm, dass dort im Küstenbereich Palmen
gedeihen können.

Indirekt angetrieben wird der Golfstrom als warme Oberflächenströmung
hauptsächlich durch den Wind. Der Nordostpassat vor Afrika treibt das
warme Oberflächenwasser von der afrikanischen Küste weg nach Westen
in Richtung Karibik. Mit Hilfe der Corioliskraft (Rechtsablenkung von
bewegten Gegenständen und Flüssigkeiten auf der Nordhalbkugel durch
die Erdrotation) wird das Wasser nordwestlich in den Golf von Mexiko
gepresst. Die dort aufgestauten Wassermassen suchen sich einen Ausweg
durch die enge Straße von Florida nach Norden, wo sie aufgrund der
Westwinde in den mittleren Breiten wieder nach Osten gelenkt werden.

Als ein weiterer Antriebsmechanismus gilt zudem die Anbindung an das
globale Förderband der Ozeanströmungen (Thermohaline Zirkulation).
Das Strömungssystem des Nordatlantiks ist allerdings nur ein Teil des
globalen Förderbandes, welches in einem System von Oberflächen- und
Tiefenströmungen Unmengen von Wasser durch vier Ozeane transportiert.
Der Grund für dieses weltumspannende Strömungssystem liegt in den
Dichteunterschieden der verschiedenen Wassermassen. Auf seinem Weg
durch Tropen und Subtropen verdunstet durch die Sonneneinstrahlung
sehr viel Wasser, wodurch sich dort der Salzgehalt und die Dichte
erhöhen. Als Nordatlantikstrom erwärmt das Wasser in höheren Breiten
die Luft der unteren Atmosphäre und kühlt dadurch stark ab, was eine
weitere Dichteerhöhung mit sich bringt. Diese wird schließlich durch
Meereisbildung zusätzlich erhöht, was dazu führt, dass zwischen
Grönland, Norwegen und Island sowie in der Neufundland-See riesige
Wassermassen in die Tiefe sinken. An der Oberfläche muss entsprechend
Wasser nachfließen. Weitere Informationen können Sie auch der Graphik
1 entnehmen.

Neuste Forschungsstudien über den Golfstrom widmen sich dem Einfluss
und der Veränderung genau dieser sogenannten "Thermohalinen
Zirkulation". Im Focus steht dabei der Salzgehalt im Zusammenspiel
mit der Temperatur. Die Dichte des Oberflächenwassers wird durch die
Temperatur und den Salzgehalt bestimmt. Wärmeres und salzärmeres
Wasser ist leichter als kaltes und salzreiches Wasser.

Allgemein haben, wie bereits erwähnt, zwei wesentliche Effekte einen
Einfluss auf die Salzkonzentration im Nordatlantik. Zum einen die
Meereisbildung, die durch das Gefrieren des Wassers den Salzgehalt
erhöht und somit das Wasser leichter macht. Wenn das Wasser in
Zukunft also leichter wird, lässt das Absinken und somit die
Pumpwirkung des "Thermohalinen Förderbandes" nach und hört vielleicht
irgendwann ganz auf. Wann und wo dies geschieht kann jedoch niemand
sagen. Laut Prof. S. Rahmstorf (PIK) ist es eine Art
Risikoabschätzung. "Man kann das vergleichen mit dem, was Ingenieure
machen, die das Risiko einschätzen, dass es einen Kernenergieunfall
gibt."

Der andere Effekt beschreibt, wie durch die Westwinde vom Südatlantik
zunehmend sehr salziges Wasser in den Kreislauf des Golfstroms
strömt. Durch eine Temperaturerhöhung und das Schmelzen des Polar-
und Grönlandeises wird das Wasser im Nordatlantik süßer und wärmer,
also auch leichter. Doch was passiert, wenn das Gleichgewicht gestört
wird? Auch Prof. A. Biastoch (GEOMAR) stellt sich diese Frage: "Wir
bringen mehr Süßwasser von Norden ins System - das führt zu weniger
Salz - und wir bringen gleichzeitig mehr Salz aus dem Süden ins
System. Die Frage ist jetzt: Welcher Effekt gewinnt?" Diese Frage
kann derzeit kein Modell beantworten. Nach Herrn Biastoch ist nur
klar, dass das System Woche für Woche, Monat für Monat Schwankungen
unterworfen ist. "Man kann natürlich jetzt sagen, man muss einfach
noch 20 Jahre mehr messen und dann werden wir es schon sehen, aber so
viel Zeit haben wir natürlich nicht." Auch Prof. S. Rahmtorf sieht es
in seinem Beitrag für den MDR ähnlich: "Diese Unsicherheit bedeutet
auch, dass es deutlich rascher oder schlimmer kommen kann, als
erwartet. Die Vorhersage der aktuellen Studie ist, dass die
Temperaturen bis um drei Grad in Europa sinken würden, wenn der
Golfstrom zum Stehen käme. Besonders betroffen wären Frankreich,
Irland, Großbritannien und Skandinavien."

Derzeit herrschen im Golf von Mexiko moderate Wassertemperaturen
zwischen 18 und 25 Grad. In der Straße von Florida werden dagegen
schon höhere Temperaturen von 24 bis 28 Grad registriert. Auf dem Weg
nach Norden und Osten sinkt die Temperatur jedoch wieder deutlich ab.
Vor Neufundland werden zwischen 2 Grad in küstennahen Regionen und
bis 20 Grad auf dem Atlantik erreicht. Vor Irland und den Britischen
Inseln sind es dann noch 8 bis 12 Grad. (vgl. Graphik 2). Gerade vor
der Ostküste Amerikas sowie Neufundlands weist die Wassertemperatur
Anfang Februar eine deutlich positive Abweichung auf, während sie im
Golf von Mexiko oder vor den Britischen Inseln um den vieljährigen
Mittelwert schwankt (vgl. Graphik 3).

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.02.2017

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst