Thema des Tages

09-03-2017 14:40

?Super-Zyklon? ENAWO sucht Madagaskar heim

Besonders in Teilen Süddeutschlands fällt ziemlich viel Regen zurzeit
? so viel, dass die zuständigen Meteorologen beim Deutschen
Wetterdienst nicht lange zögerten und entsprechende Warnungen vor
ergiebigem Dauerregen herausgaben. Der Dauerregen, nicht zuletzt auch
der Beitrag durch das Tauwetter, führen zu einem
Niederschlagsdargebot, das insbesondere für kleinere Flüsse eine
außerordentliche Belastung sein dürfte: Sie führen zunehmend
Hochwasser. Dies stellt für einige sicherlich keine angenehme
Situation dar. Doch wie so oft relativiert sich das Ganze, wenn man
mal schaut, zu welch ungleich dramatischeren Wetterentwicklungen die
Natur anderswo imstande ist.

So traf am vergangenen Dienstag der tropische Wirbelsturm ENAWO mit
voller Wucht auf Madagaskar. Sintflutartige Regenfälle, Sturm- und
Orkanböen suchen den Inselstaat seitdem heim. Auf seinem Weg vom
Indischen Ozean Richtung madagassische Ostküste fand der Zyklon, so
nennt man tropische Wirbelstürme in jenem Bassin, sehr günstige
Entwicklungsbedingungen vor wie hohe Meeresoberflächentemperaturen
und schwache, mit der Höhe kaum variierende Winde. Dadurch wuchs er
rasch zu einem äußerst gefährlichen und vor allem ungewöhnlich großen
Sturm heran. Ausgerechnet unmittelbar vor Landgang erreichte er
schließlich seinen Entwicklungshöhepunkt mit mittleren
Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h und damit eine Intensität,
welche der zweithöchsten Hurrikan-Kategorie entspricht.

Das denkbar ?unglückliche? Timing ließ insbesondere für den Nordosten
Madagaskars das Schlimmste befürchten, wo ENAWO als
?Kategorie-4-Zyklon? zwischen den beiden Großstädten Antalaha und
Sambava an Land ging. Noch ist unklar, wie weitreichend und schwer
die Folgen des Sturmes wirklich sind, zumal die Katastrophe noch in
vollem Gange ist. Aber Orkanböen bis weit ins Landesinnere,
Überschwemmungen und Erdrutsche als Resultat von exorbitanten
Niederschlagsmengen von vielerorts 200 bis 400 l/qm sowie heftiger
Wellenschlag und Sturmfluten an der Küste scheinen nach ersten
Berichten massiven Schaden an der Infrastruktur hinterlassen zu
haben. Viele Menschen seien obdachlos, heißt es.

Zwar schwächt sich ENAWO nun auf seinem Weg gen Süden infolge der
Reibung und des abreißenden Energienachschubs über den Landflächen
rasch ab, doch aufgrund seiner immer langsameren Verlagerung einmal
längs über die Insel hinweg muss in vielen, teils auch sehr
bevölkerungsreichen Regionen Madagaskars mit weiteren heftigen
Regenfällen gerechnet werden. Gut, dass wenigstens die Flüsse im
Landesinneren wegen monatelanger Dürre extremes Niedrigwasser führten
oder gar völlig ausgetrocknet waren und so ein großes ?Auffangbecken?
für die Wassermassen darstellen.

Madagaskar gelangt zwar regelmäßig ins Fadenkreuz tropischer
Wirbelstürme, allerdings trafen seit 1983 lediglich acht Zyklone mit
einer Hurrikankategorie-4 äquivalenten Stärke direkt auf den
Inselstaat. Gemessen an den mittleren Windgeschwindigkeiten bei
Landgang reiht sich ENAWO hinter HARY (2002) und GAFILO (2004) auf
den dritten Platz der stärksten tropischen Wirbelstürme ein.

? Und es bleibt unruhig über dem Indischen Ozean. Schon jetzt zieht
ein neuer tropischer Sturm nordöstlich von Mauritius die
Aufmerksamkeit der Forecaster auf sich. Die Wahrscheinlichkeit ist
hoch, dass sich dieser Tiefdruckwirbel in den nächsten Stunden zu
einem ernstzunehmenden tropischen Zyklon entwickelt. Verschiedene
Computermodelle berechnen eine west- bis südwestliche Zugbahn des
möglichen Zyklons, sodass ab dem Wochenende und kommende Woche
Mauritius, La Reunion und sogar wieder Madagaskar gefährdet sein
könnten.

Solange sich der Zyklon noch in der Anfangsphase der Entwicklung
befindet, sind die Berechnungen der Vorhersagemodelle allerdings
besonders unsicher. Es besteht also noch Hoffnung, dass der neue
Sturm eine andere Richtung einschlägt und ENAWO damit zunächst nur
ein ?Einzelgänger? bleibt.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.03.2017

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