Thema des Tages

10-04-2017 14:40

Die "dryline"

Ein in der Meteorologie häufig verwendeter Begriff ist die "Front".
Dabei handelt es sich um einen mehr oder weniger scharfen
Übergangsbereich, in dem sich die Temperatur, die Feuchte, der
Luftdruck und die Windrichtung ändern. Er gilt daher auch als
Luftmassengrenze. Einer Kaltfront folgt meist kältere und einer
Warmfront meist wärmere Luft und beide Fronten vermischen sich bei
einem alternden Tiefdruckgebiet zu einer Okklusion. All diese Fronten
beeinflussen unser Wetter und sorgen für Abwechslung und Spannung bei
der täglichen Wettervorhersage. Dank der unzähligen Wetterkarten in
den Medien, wo die Luftmassengrenzen als blaue, rote und violette
Linien eingezeichnet sind, ist auch die Öffentlichkeit mit der
Abbildung dieser Fronten vertraut.

Doch auch abseits der o.g. Fronten gibt es interessante Phänomene,
die sich aber in bestimmten physikalischen Merkmalen von den üblichen
Fronten unterscheiden. Eine solche Erscheinung ist die sogenannte
"dryline". Zwar tritt diese auch hin und wieder in einigen Regionen
Europas auf, allerdings sind sie dann meist kurzlebig und nicht sehr
wetteraktiv. Um die "dryline" besser verstehen zu können, werfen wir
einen Blick gen Westen in die USA, und zwar besonders in den
zentralen Mittleren Westen (von Texas bis Nebraska). Dort treffen
immer wieder sehr feuchte Luftmassen vom Golf von Mexiko auf sehr
trockene Luftmassen im Lee der Rocky Mountains.

Eine "dryline" lässt sich kurz und knapp erklären. Es ist der
Bereich, wo auf engstem Raum enorme Gradienten (Unterschiede) der
Luftfeuchtigkeit herrschen. Es handelt sich allerdings nicht um eine
der vorher erwähnten Fronten, da keine Temperaturunterschiede entlang
der "dryline" vorhanden sein müssen. Schauen wir sie uns anhand eines
Beispiels genauer an.

Dem Thema des Tages ist eine Grafik vom 11. Februar 2017 beigefügt.
Die roten Zahlen in a) stellen die Temperaturhöchstwerte dieses Tages
dar, die mit bis zu 37 Grad selbst für die Gebiete des Mittleren
Westens für diese Jahreszeit als außergewöhnlich hoch angesehen
werden können. Östlich der roten Zahlen stellen die grünen und gelben
Werte in den schwarzen Kästchen positive Taupunkttemperaturen (siehe
DWD Lexikon) jenseits der +16 Grad dar. Hier ist die Luftmasse sehr
feucht und wird in Kombination mit den hohen Lufttemperaturen als
drückend bzw. schwül empfunden. Im Satellitenbild wird dieser Bereich
durch die zahlreichen Haufenwolken (Kumulusbewölkung) sichtbar (siehe
b)). Westlich der roten Zahlen deuten die weiß und hell-lila
gefärbten negativen Werte in den schwarzen Kästchen auf sehr tiefe
Taupunkttemperaturen hin. Diese Luftmasse ist also extrem trocken und
meist trübt keine Wolke den Himmel. Und genau zwischen der sehr
feuchten und der sehr trockenen Luftmasse ist die "dryline" (orange
gefärbte Warmfront) zu finden.

In der Abbildung c) erkennt man, dass die feuchte Luftmasse direkt
östlich der "dryline" eine geringe vertikale Mächtigkeit aufweist und
dabei nach Osten zu immer mehr an (vertikaler) Mächtigkeit gewinnt.

Doch wie bewegt sich eine "dryline" fort? Die tägliche
Sonneneinstrahlung und daraus resultierende Erwärmung der Luft sorgen
zusätzlich für ein wiederkehrendes Schwingungsmuster der "dryline":
Tagsüber führt die kräftige Sonneneinstrahlung zur Erwärmung und
Durchmischung der feuchten Luftmasse östlich der "dryline". Die
Durchmischung wird hervorgerufen durch die erwärmte und folglich
aufsteigende Luft, die dadurch abkühlt und wieder absinkt. Dabei wird
trockenere Luft aus höheren Luftschichten zum Boden transportiert und
die Luftmasse trocknet zunehmend ab. Je flacher die vertikale
Mächtigkeit der feuchten Luftmasse, desto schneller die
Durchmischung. Man kann also sagen, dass sich die "dryline" nach
Osten "voranmischt". Wie schnell diese Ostbewegung ausfällt, wird
z.B. durch das umströmte Gelände beeinflusst, sodass die "dryline"
zeitweise Dellen aufweist (engl. sog. "dryline bulge"). Die
Ostverlagerung findet tagsüber zwischen dem Vormittag und Nachmittag
statt, schwächt sich zum Abend hin ab und kehrt sich in der Nacht
wieder um.

Die "dryline" ist in dieser Region auch bekannt für das Auslösen von
Gewittern, die zusammen mit weiteren meteorologischen Zutaten sogar
zu Unwettern heranwachsen können mit Begleiterscheinungen wie
Starkregen, Hagel, Sturmböen oder Tornados. Damit können sie auch für
enorme Schäden sorgen. Das Knifflige für die Meteorologen ist die
Frage, wie schnell und wie weit die "dryline" nach Osten vorankommen
wird und ob sie kräftig genug sein wird, Gewitter auszulösen. Da
aktuell die Tornadosaison in den USA begonnen hat, wird die "dryline"
also für die kommenden Wochen und Monate für die Meteorologen und
Bewohner vor Ort ein heißes Thema darstellen.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.04.2017

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