Thema des Tages

25-04-2017 14:40

Wenn Schnee zur Last wird...

Auch wenn es der ein oder andere von Ihnen vermutlich satt hat, Ende
April immer noch reihenweise winterliche Schwerpunkte in den Themen
des Tages zu finden, so lohnt es sich aufgrund der bevorstehenden
brisanten Wetterlage am Alpenrand doch erneut, den Fokus auf ein
Phänomen aus dem Winterhalbjahr zu legen. In diesem Falle soll es um
den Schneebruch gehen.

Schneebruch tritt klassischerweise an Bäumen auf, bei denen Äste,
Stämme oder ganze Kronen aufgrund einer zu hohen Schneelast
abbrechen. Schwache Bäume mit Vorschädigungen, Insekten- oder
Pilzbefall können auch vollständig umknicken. Entscheidend ist dabei,
dass es sich um nassen Schnee handelt. Dieser enthält weniger
Lufteinschlüsse, ist damit dichter und schwerer und lastet
entsprechend stärker auf den Pflanzen. Zum Vergleich: Während
trockener, lockerer Neuschnee eine Dichte von rund 50 Kilogramm pro
Kubikmeter aufweist, sind es bei Nassschnee - aus dem man das Wasser
schon herauspressen kann ? mit rund 200 Kilogramm pro Kubikmeter das
Vierfache. Das heißt, bei gleichem Volumen ist nasser Schnee viermal
so schwer wie lockerer Neuschnee. Oder noch plakativer: Ist ein Ast
mit einer Fläche von einem Quadratmeter mit zehn Zentimeter trockenem
Pulverschnee beladen, dann wirkt eine Gesamtmasse von fünf Kilogramm
auf ihn, bei Nassschnee sind es schon 20 Kilogramm. Eine gesetzte
Altschneedecke liegt im Bereich zwischen 300 und 600 kg/m³, Eis bei
800 bis 900 kg/m³ und Wasser bei 1000 kg/m³. Daher schwimmt Eis wegen
seiner geringeren Dichte übrigens auch immer auf der
Wasseroberfläche.

Mitunter treten Schäden aber auch an Bauwerken oder der
Oberlandleitungen auf. Im Gedächtnis ist dabei sicherlich vielen noch
das furchtbare Unglück von Bad Reichenhall (Bayern) vom 02. Januar
2006, bei dem 15 Menschen (die meisten davon Kinder) unter dem
einstürzenden Dach der örtlichen Eishalle zu Tode kamen, 34 weitere
wurden teils schwer verletzt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt,
dass neben dem meteorologischen Aspekt in solchen Fällen allerdings
immer auch zusätzliche Faktoren wie Planung, Umsetzung, Statik und
Instandhaltung von Gebäuden eine wesentliche Rolle spielen.

Analog zum Schneebruch bezeichnet man vergleichbare Auswirkungen
infolge gefrierenden Regens als ?Eisbruch?. Im Einzelfall kann -
insbesondere bei länger andauernder Wetterlage - auch Raureif schwer
genug sein, um Schäden an Bäumen und Sträuchern zu verursachen. Dann
spricht man vom sogenannten ?Duftbruch?. Ein Begriff, der in der
Meteorologie kaum geläufig ist und spontan eher in der Gastronomie
oder Parfümindustrie vermutet werden würde. Im Bereich der
Forstwirtschaft ist er aber Gang und Gebe und basiert auf der
ursprünglichen, althochdeutschen Bedeutung des Wortes Duft als Nebel
oder gefrorener Dunst, woraus sich Duft als Bezeichnung für Raureif
entwickelte. Bäume, die regelmäßig Schäden durch Raureif erleiden,
werden ?Duftbrecher? genannt. Zum Schutz von jüngeren Beständen
werden sie wie die Rotbuche an Waldrändern gerne auch stehengelassen.


Doch nach diesem kleinen Exkurs zurück zum aktuellen Wettergeschehen.
Bereits am heutigen Dienstagmorgen kam es zu dichtem Flockenwirbel in
Teilen Schleswigs, der mengenmäßig allerdings noch keine
Schneebruchgefahr auslöst. Etwas anders wird es sich aber ab den
Frühstunden des morgigen Mittwochs im Süden Deutschlands verhalten,
wenn eine Kaltfront neben kräftigen Niederschlägen auch kältere
Luftmassen im Gepäck hat. Die Folge sind starke Nassschneefälle bei
einer absinkenden Schneefallgrenze auf rund 600 Meter. Zum Donnerstag
und Freitag konzentrieren sich die Schneefälle dann zunehmend auf die
Gebiete vom Allgäu bis zum Berchtesgadener Land. Akkumuliert muss bis
zum kommenden Samstag oberhalb 800 Meter mit Neuschneemengen zwischen
20 und 30 Zentimeter, in Staulagen bis 50 Zentimeter gerechnet
werden. Da es sich dabei vorrangig um Nassschneefall handeln wird und
die Bäume aufgrund der jahreszeitbedingten, fortgeschrittenen
Belaubung bereits eine große Auffangfläche bieten, besteht eine
erhöhte Schneebruchgefahr! Bleibt zu hoffen, dass derartige
Schreckensmeldungen wie die aus Bad Reichenhall dieses Mal
ausbleiben.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.04.2017

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