Thema des Tages

26-05-2017 14:40

Die erste Hitzeperiode des Jahres kommt und der Körper leidet!

Das Wetter in Deutschland wird derzeit von Hoch ?Walrita? bestimmt.
Dieses liegt am heutigen Freitag mit Zentrum über der Nordsee und
gibt atlantischen Tiefausläufern keine Chance nach Deutschland
vorzudringen. Allerdings sickert in den Norden und Osten mit einer
noch nördlichen Strömung feuchtere Meeresluft ein, die teilweise für
eine hochnebelartige Bewölkung sorgt. Ansonsten sind die
Absinkbewegungen der Luft in der Atmosphäre durch ?Walrita? zu stark,
sodass sich kaum Wolken am Himmel zeigen. Stattdessen kann die Sonne
nahezu ungehindert scheinen.

Im weiteren Verlauf verlagert Hoch ?Walrita? jedoch seinen
Schwerpunkt nach Osten. Am Samstag liegt das Zentrum schon über
Nordpolen und am Sonntag dann über der Westukraine. Einhergehend
stellen sich über Mitteleuropa und somit auch über Deutschland die
Strömungen um. Zunächst dreht die bodennahe Windkomponente auf Süd
und zapft sehr warme bis heiße subtropische Luft aus Südeuropa an.
Mit Sonnenunterstützung können die Temperaturen am Samstag im Westen
und am Sonntag verbreitet an bzw. über die 30-Grad-Marke steigen. In
der Spitze sind am Sonntag Höchstwerte von 34 Grad zu erwarten.

Der Montag wird dann wohl der heißeste Tag der Woche. Abgesehen von
den Küstenregionen erreichen die Temperaturen deutschlandweit ein
hochsommerliches Niveau zwischen 25 und 35 Grad.

Mit der Verlagerung gen Osten macht ?Walrita? jedoch auch wieder
Platz für tieferen Luftdruck. Schon am Sonntag rücken erste
Tiefausläufer dem westdeutschen Raum auf die Pelle. Dann nämlich soll
sich eine Kaltfront in den Westen und Norden schieben. Im Gepäck hat
die Luftmassengrenze auch deutlich mehr Feuchte, sodass sich die
sommerlichen Temperaturen zunehmend schwül anfühlen. Dies lässt sich
schließlich auch an den sogenannten gefühlten Temperaturen ablesen,
die ab Samstag von Westen und Südwesten her über 30 Grad ansteigen.
Am Sonntag und Montag sind am Rhein sogar als belastend gefühlte
Werte bis 37 Grad möglich. Entsprechend ist zumindest tagsüber mit
einem warmen bis heißen thermischen Empfinden mit einer teils hohen
Wärmebelastung zu rechnen (vgl. Graphik oder unter:
http://www.dwd.de/biowetter).

Entspannung bieten noch die Nächte. Diese sind bei Tiefstwerten meist
zwischen 19 und 10 Grad zwar mild, bieten aber noch die Möglichkeit
durchzulüften und sich vom Wärmestress am Tage zu erholen. Zudem sind
auch die Gebäude bei der ersten Hitzeperiode des Jahres noch nicht
aufgeheizt, sodass sich die Innenraumtemperaturen überwiegend im
angenehmen Bereich befinden. Dennoch sollte man den Körper tagsüber
im Freien schützen und auf kräfteraubende Tätigkeiten möglichst
verzichten. Vor allem bei älteren und kranken Menschen sind die
Reserven der Thermoregulation schneller erschöpft.

Insgesamt stellt die Schnittstelle zwischen Wetter bzw. Klima und der
Medizin ein spannenden Forschungs- und Arbeitsbereich mit vielen
Herausforderungen dar. Mit den Wechselwirkungen zwischen den
atmosphärischen Prozessen und den lebenden Organismen (Pflanzen,
Tiere und Menschen) befasst sich die Biometeorologie als
interdisziplinäre Wissenschaft. Die zentrale Frage dieses
Wissensbereiches ist also: Wie beeinflussen Wetter und Klima lebende
Organismen?

Dabei werden mit dem ?aktinischen Wirkungskomplex?, dem ?thermischen
Wirkungskomplex? und dem ?lufthygienischen Wirkungskomplex? allgemein
drei verschiedene Wirkungsbereiche unterschieden.

Der aktinische Wirkungskomplex behandelt die Komponenten der
biologisch wirksamen Sonnenstrahlung; sie reichen vom infraroten über
den sichtbaren bis zum UV-Bereich. Sowohl gesundheitsfördernde als
auch -schädigende Einflüsse sind bekannt: Beim Menschen fördert
beispielsweise Infrarotstrahlung die Durchblutung. Sichtbares Licht
beeinflusst Hormonhaushalt und Psyche. Das größte Wirkungsspektrum
besitzt jedoch die UV-Strahlung: Hautbräunung, Vitamin-D3-Synthese,
aber auch Schädigung von Hautzellen und Sonnenbrand sind nur einige,
vielleicht die bekanntesten positiven wie negativen Auswirkungen der
UV-Strahlung.

Im lufthygienischen Wirkungskomplex werden die natürlichen und die
durch den Menschen verursachten Luftbeimengungen zusammengefasst. Zu
diesen zählen Grob- und Feinstaub, Pollen sowie auch gasförmige und
flüssige Stoffe.

Von besonderem Interesse ist ? wie z.B. bei der bevorstehenden
Hitzewelle - der thermische Wirkungskomplex. Zu diesem
Wirkungsbereich gehören alle Größen, die für den Austausch von Wärme
zwischen dem lebenden Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre
von Bedeutung sind. Die wichtigsten meteorologischen Größen sind
dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung.
Für eine zahlenmäßige Erfassung und Einordnung des Wohlbefindens, der
Gesundheit und der Leistungsfähigkeit des Menschen ist es notwendig,
die thermischen Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch
korrekten sowie wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten,
darzustellen und weiterzugeben.

Damit die inneren Organe und das Gehirn eines Menschen optimal
funktionieren können, muss die Körpertemperatur auf einem konstanten
Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im
Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren
Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende
Bedingungen werden dem Menschen - über das Gehirn gesteuert - durch
Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des
Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der
Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.


Die Temperatur der Haut und der Extremitäten können dabei jedoch
abhängig von den Umgebungsbedingungen stark schwanken. Überschüssige
Wärme gibt der Körper über die Haut an die Umgebung ab. Mögliche
Prozesse sind beispielsweise die Konvektion (sensibler Wärmefluss),
Strahlung (langwellige Strahlung) sowie die Verdunstung z.B. von
Schweiß und Diffusion von Wasserdampf (latenter Wärmefluss).
Gleichermaßen kann der Wärmehaushalt in einem bestimmten Maße auch
über die Atmung (latenter und sensibler Wärmefluss) reguliert werden.
Aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechsels bei Menschen kann das
thermische Empfinden in Abhängigkeit beispielsweise von Alter und
Geschlecht variieren und ist somit lediglich eine subjektive
Bewertung der Auswirkung der Umgebungsbedingungen auf den Zustand des
Körpers.

Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen
Umgebungsbedingungen zu analysieren und vorherzusagen, wird auf
verschiedene Konzepte zurückgegriffen. Ein weitverbreitetes Konzept
basiert dabei auf der Betrachtung einer ?äquivalenten Temperatur?.
Sie beschreibt in diesem Fall die Lufttemperatur, die in einer
Referenzumgebung herrschen müsste, um das gleiche thermische Befinden
wie in der aktuellen Umgebung (optimalen Zustand des Wärmehaushaltes
des Körpers) hervorzurufen. Der Vergleich der äquivalenten Temperatur
zur Lufttemperatur erschließt sich häufig selbständig, besonders in
Hinsicht auf extreme Bedingungen (Hitze, Kälte).

Der Deutsche Wetterdienst betreibt darauf aufbauend als thermisches
Bewertungsverfahren das sogenannte ?Klima-Michel-Modell?. Dabei
greift er auf die ?gefühlte Temperatur? als eine Variante der
äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an
die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings
gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden
Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen
Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt
bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem
Zustand ?Gehen? mit etwa 4 km/h in der Ebene. Gleichermaßen ist die
Bewertung an den Außenbedingungen ausgerichtet, sodass der ?Michel?,
um sein thermisches Gleichgewicht herzustellen, seine Kleidung
zwischen einer sommerlichen und winterlichen Variante variieren kann.
Die sommerliche Kleidung entspricht beispielsweise einer leichten
langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.05.2017

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