Thema des Tages

01-07-2017 14:40

Hitze und Unwetter über Südosteuropa

Sintflutartige Regenfälle über Nordostdeutschland, heftige Gewitter
mit Sturm und Hagel über dem westlichen Osteuropa und eine mächtige
Hitzewelle über Südosteuropa. Das europäische Wetter ist durch Tief
RASMUND in Aufruhr, das über West- und Mitteleuropa liegt und ein für
diese Jahreszeit ungewöhnlich umfangreiches und langlebiges
Tiefdruckgebiet darstellt. Während im gestern verfassten Thema des
Tages die heftigen Dauerniederschläge über dem Nordosten Deutschlands
näher betrachtet wurden, soll heute die Hitze im Südosten Europas im
Fokus stehen.

Im Allgemeinen ist eine Hitzewelle im Mittelmeerraum während der
Sommerzeit nichts Ungewöhnliches und die Bewohner sind heiße
Witterungsabschnitte während dieser Zeit mit Sicherheit gewöhnt.
Nicht umsonst zeichnet sich das Mittelmeerklima durch trockene und
heiße Sommermonate sowie milde und regenreiche Wintermonate aus.
Allerdings ist die Hitzewelle, die aktuell den Südosten Europas
beeinflusst, zwar nicht wegen ihrer Dauer, sondern wegen ihrer
Intensität sicherlich erwähnenswert. Die Temperaturen in 2m über
Grund weichen in einem breiten Streifen vom östlichen Mittelmeer bis
nach Bulgarien und teils auch Rumänien um rund 10 bis gebietsweise 15
Kelvin vom klimatologischen Mittel von 1979 bis 2000 ab. Bevor wir
aber zu den Auswirkungen dieser Hitzewelle kommen, schauen wir uns
kurz deren Entstehung an.

Im Grunde handelt es sich um eine klassische Konstellation für eine
Hitzewelle über Südosteuropa. Zum Beginn der Woche entwickelte sich
über Westeuropa ein umfangreicher Höhentrog, der sich durch niedrigen
Luftdruck in rund 5.5 km Höhe über Grund auszeichnet (siehe im DWD
Lexikon unter "Höhentrog"). Dieser Trog zog im Verlauf der Woche nur
sehr langsam nach Osten und erreichte erst gestern am Freitag das
westliche Mittelmeer. Gleichzeitig bildete sich unter diesem
Höhentrog das großräumige Tiefdruckgebiet RASMUND aus, das aus
zahlreichen kleineren Tiefdruckgebieten (sog. ?Teiltiefs?) bestand,
die von Südwest nach Nordost über West- und Mitteleuropa geführt
wurden. Zeitweise beeinflussten diese Tiefdruckgebiete eine Fläche
von England bis zur Ostsee im Norden und bis Nordafrika im Süden.
Durch die sehr südliche Ausdehnung schaufelte dieser Tiefdruckkomplex
zunehmend heiße Wüstenluft aus Algerien und Tunesien nach Nordosten.
Unterstützt wurde dieser Transport durch ein umfangreiches
Hochdruckgebiet über Libyen und Ägypten, das besonders in der
mittleren Troposphäre (rund 5.5 km über Grund) kräftig ausgeprägt
war.

Aus dieser Druckverteilung resultiert nun ein heißer Südwind mit dem
Namen ?Sirokos? in Griechenland und ?Sirokko? in der Türkei. Dieser
heiße Wind weht, von Nordafrika kommend, über das östliche Mittelmeer
und nimmt durch Verdunstung über dem warmen Mittelmeerwasser etwas
Feuchtigkeit auf. Diese feuchte Schicht beschränkt sich aber meist
auf die untersten 100 bis 300 Meter und kann besonders im Lee von
Gebirgen oder Inseln durch Fallwinde rasch wieder austrocknen. Dieser
Südwind ließ die Temperaturen in Griechenland und der Türkei kräftig
steigen. Hier einige Höchstwerte von gestern: Eleusis (Griechenland)
44.8 °C, Antalya (Türkei) 44.8 °C, Sandanski (Bulgarien) 42.0 °C und
Bechet (Rumänien) 39.2 °C. Auch die Tiefstwerte fielen besonders im
Süden Griechenlands und der Türkei teils heiß aus, wobei in Kythira
(Griechenland) und Antalya (Türkei) jeweils ein Tiefstwert von 32.4
°C gemessen wurde.

Diese Hitzewelle dürfte auch das östliche Mittelmeer wenigstens
oberflächennah weiter aufheizen. Das gesamte Mittelmeer ist bisher
überall zu warm im Vergleich zum langjährigen, klimatologischen
Mittel von 1979 bis 2000, wobei die Abweichungen abgesehen vom
äußersten westlichen Mittelmeer zwischen 1 und 4 Kelvin liegen.
Vielerorts liegen die Wassertemperaturen bei 24 bis knapp 28 Grad mit
den für das Mittelmeer typischen starken regionalen Schwankungen.

Wie bereits angesprochen fällt diese Hitzewelle jedoch nicht durch
ihre Dauer auf, denn sie wird heute in Rumänien, in Griechenland im
Verlauf des Sonntags und in der westlichen Türkei im Verlauf des
Montags von Westen durch eine markante Kaltfront beendet. Davor
steigt die Temperatur heute im Südwesten der Türkei in der Spitze
aber noch auf gnadenlos heiße 47 Grad.

Dieser Luftmassenwechsel vollzieht sich vielerorts allerdings mit
großem ?Tamtam?, denn die Zutaten für heftige Gewitter sind heute in
Rumänien und der Ukraine und am Sonntag im Norden Griechenlands und
Bulgarien entlang der Kaltfront gegeben. Luftteilchen, die entlang
der Kaltfront gehoben werden, können rasch aufsteigen und
hochreichende Gewitterwolken bilden. Gleichzeitig werden in diesen
Regionen für diese Jahreszeit ungewöhnlich heftige Winde in der
mittleren Troposphäre erwartet mit Windgeschwindigkeiten in rund 5.6
km Höhe von 100 bis 140 km/h. Da die Winde mit der Höhe nicht nur an
Geschwindigkeit zunehmen, sondern auch ihre Richtung ändern, sind die
Zutaten für Unwetter gegeben, wobei mit großem Hagel, schweren
Sturmböen und heftigem Starkregen gerechnet werden muss.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.07.2017

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst