Thema des Tages

11-07-2017 14:40

Flash Floods und Slot Canyons - eine gefährliche Mischung

Für die Bildung schwerer Gewitter sind drei Zutaten in der Atmosphäre
notwendig: ausreichend Energie, genügend Luftfeuchte und ein
Hebungsmechanismus. Die Energie wird benötigt, um hochreichende
Gewitterwolken zu produzieren. Damit die Wolke auch als solche
bestehen bleibt, ist u.a. die Feuchte essenziell. Wolkentropfen
bilden sich jedoch nur durch Kondensation, wenn eine warme Luftmasse
in kältere Atmosphärenschichten gehoben wird. Dies geschieht bspw. an
einer Kaltfront, wenn kalte Luft auf schwülwarme trifft. Die
schwerere Kaltluft schiebt sich unter die warme und hebt diese.

Gewitter können mit unterschiedlichen Begleiterscheinungen
einhergehen. Langlebige Gewitter resultieren häufig aus einer recht
dynamischen Atmosphäre, in der sich die Windgeschwindigkeit als auch
die Windrichtung mit zunehmender Höhe deutlich ändern (Richtungs- und
Geschwindigkeitsscherung). Diese energiereichen Gewitterzellen sind
häufig mit Hagel und Sturmböen verbunden, ziehen aufgrund der starken
Höhenwinde aber recht schnell, sodass ergiebiger Starkregen ein eher
zweitrangiges Warnkriterium darstellt.

Pulsierende Gewitter hingegen, die immer wieder über ein und
derselben Region in die Höhe schießen und sich somit kaum von der
Stelle bewegen, bergen in einer sehr feuchten und energiereichen
Atmosphäre ein hochgradiges Potenzial für heftigen Starkregen. Dass
die Gewitter nicht von der Stelle kommen, liegt am schwachen Wind in
mittleren Troposphärenschichten. Die Gewitter verlagern sich
normalerweise mit der Windgeschwindigkeit in etwa 3 bis 5 km Höhe.
Ist der Wind dort relativ schwach, kommen die Gewitter nur sehr
langsam voran. Sind die Windgeschwindigkeiten in den unteren
Troposphärenschichten (1-2 km) zudem etwas kräftiger als jene in der
Höhe, kann es passieren, dass sich hinter dem ersten Gewitter wieder
ein neues bildet. Dann regnen sich die Gewitterwolken beständig über
einem Gebiet ab und Überschwemmungen sind die Folge. Ist die Region
dann auch noch durch enge Schluchten gekennzeichnet, gehören
Sturzfluten (engl. "flash floods") häufig zu den Auswirkungen dieser
heftigen Niederschläge.

Im Süden des US-Bundesstaates Utah liegt eine Region - genannt "Grand
Staircase-Escalante National Monument" - die durch Plateaus,
Schluchten, Tafelberge und Klippen geprägt ist und in der es
zahlreiche farbenprächtige geologische Formationen gibt. Sie gehört
zum Colorado-Plateau (siehe Thema des Tages vom 24. Mai 2017), das
seit dem mittleren Tertiär (vor etwa 10 Millionen Jahren) langsam
gehoben wurde und in der Erosion durch Wind und Wasser das Aussehen
gestalten. Zudem gruben sich der Fluss Colorado und seine Nebenarme
in die von Sandstein durchzogene Landschaft und hinterließen in
großer Zahl Schluchten (sogenannte "Canyons").

Ein Abenteuer für Touristen in diesen Gebieten ist der Besuch dieser
Canyons. Einer der bekanntesten und farbenprächtigsten ist der Bryce
Canyon am Nordrand des Grand Staircase-Escalante National Monument.
Noch abenteuerlicher ist jedoch eine Wanderung durch einen mehrere
kilometerlangen sogenannten "Slot Canyon", einer unglaublich engen
Schlucht mit zum Teil weniger als 40 Zentimetern Breite, sodass ein
Erwachsener noch geradeso hindurch passt (Foto 1).

Häufig kommt es im Südwesten der USA im Sommer zu
niederschlagsreichen Gewittern. Selbst wenn der Regen weit entfernt
der engen Schluchten niedergeht und der Himmel über der Schlucht noch
strahlendblau ist, besteht in den "Slot Canyons" ein hohes Risiko von
Sturzfluten. Das Regenwasser sammelt sich auf dem Plateau, fließt in
vorgegebenen Bahnen des Gesteins hinab in die Schluchten und flutet
diese engen Canyons innerhalb weniger Minuten. Ein Wanderer, der sich
in diesem Moment in der Schlucht befindet und das entfernte
Donnergrollen nicht wahrgenommen hat, befindet sich sogleich in
großer Gefahr. Sobald der Donner zu vernehmen ist, sollte ein "Slot
Canyon" alsbald verlassen werden, um dem Risiko des Ertrinkens zu
entfliehen. Lassen Sie es sich gesagt sein, gerade bei einem
erfahrenen Meteorologen, der sich der Gefahr von "flash floods"
bewusst ist und sich in einem solchen Slot-Canyon befindet, steigt
der Adrenalinpegel beim Registrieren des Donners, und zwar nicht weil
sich außerhalb der Schlucht in diesem Moment wahrscheinlich ein
großartiger Anblick einer freistehenden Gewitterzelle bietet (Fotos
2+3)...!

Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.07.2017

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