Thema des Tages

24-07-2017 14:40

Die Grenzen der Vorhersagbarkeit


Häufig erhalten wir Anfragen, die das Wetter in ferner Zukunft
betreffen, oder auch Anfragen, wann genau ein Gewitter am Abend an
einem bestimmten Ort auftritt. Doch der Wetterprognose sind Grenzen
gesetzt. Oft müssen wir die Leute bei derartigen Anfragen
enttäuschen, da diese Aussagen nicht möglich sind. Doch warum sind
der Vorhersagegenauigkeit und dem Vorhersagezeitraum Grenzen gesetzt
und wo liegen diese Grenzen?

Um diese Frage zu beantworten, soll zunächst kurz erklärt werden, wie
Wettervorhersagen in der Regel entstehen. In der heutigen Zeit leitet
der Meteorologe seine Wetterprognose aus den Rechenergebnissen
verschiedener Wettermodelle ab. Dabei wird von einem
Hochleistungsrechner aus einem gegebenen Anfangszustand der
Atmosphäre mit Hilfe von komplexen Gleichungen der Zustand zu einem
späteren Zeitpunkt berechnet. Der Anfangszustand für diese
Gleichungen ergibt sich aus den Stationsbeobachtungen, Messungen von
Bojen, Schiffen, Flugzeugen und Ballonaufstiegen sowie aus
Satelliten- und Radardaten. Wettermodelle liefern dem Meteorologen
nicht nur die Feuchte- und Druckverteilung in verschiedenen Höhen,
sondern auch Parameter wie die Temperatur, den Bedeckungsgrad sowie
die Niederschläge.

Das Problem an den Berechnungen ist jedoch, dass die Atmosphäre ein
chaotisches System ist. Das heißt, dass der zukünftige Zustand der
Atmosphäre stark von den Anfangsbedingungen abhängig ist. Nur geringe
Abweichungen in diesen Anfangsbedingungen können zu einer völlig
anderen Wetterentwicklung in der Zukunft führen.

Ein Beispiel dafür sind die Unwetter am vergangenen Wochenende in
Berlin und Ostbrandenburg. In einer schwülwarmen Luftmasse bildeten
sich zahlreiche kräftige Gewitter, die in einer Linie hintereinander
über Berlin und Ostbrandenburg hinweg zogen und über Stunden für
heftigen Regen sorgten. Diese Gewitter entstanden vorderseitig eines
Regengebietes, das von Gewittern aus der Nacht zum Samstag im Westen
übrig geblieben ist. Wären die Gewitter in der Nacht stärker gewesen,
dann wären wahrscheinlich tagsüber mehr Wolken von diesen
Gewitterresten nach Berlin gezogen, wodurch sich die Luft nicht so
stark hätte aufheizen können. 3 Grad weniger hätten vielleicht
gereicht, dass diese Gewitter nicht diese Intensität erreicht hätten.


Nun lässt sich der Anfangszustand der Atmosphäre für die
Wettermodelle nicht beliebig genau bestimmen. Zum einen gibt es nicht
für jeden Punkt der Atmosphäre Messungen, zum anderen sind alle
Beobachtungen in einem gewissen Rahmen fehlerbehaftet. Des Weiteren
sind die Gleichungen in den Wettermodellen zum Teil nur Näherungen.
So werden die Modellrechnungen mit zunehmender Vorhersagezeit immer
unsicherer. Wie lange das Wetter noch einigermaßen vorhersagbar ist,
hängt auch noch stark von der Wetterlage ab. Bei stabilen Wetterlagen
wie sommerliches Hochdruckwetter ist der Zeitraum entsprechend
länger, während er bei Grenzwetterlagen (z.B. unsichere
Tiefzugbahnen, große Temperaturunterschiede auf engem Raum,
Gewitterlagen) oft nur wenige Tage beträgt.
Die aktuelle Wetterlage führt uns die Grenzen der Vorhersagbarkeit
wieder vor Augen. Gleich zwei Tiefdruckgebiete bestimmen gerade das
Wetter in Deutschland. Im Gepäck haben diese jeweils eine "Schleppe"
aus kräftigem Regen. Da sich diese Tiefdruckgebiete gegenseitig
beeinflussen, ist ihre Zugbahn sehr unsicher. Dadurch lässt sich nur
schwer abschätzen, wo die intensivsten Niederschläge, die bis in den
Unwetterbereich gehen, auftreten. Die Wettermodelle weisen
diesbezüglich Unterschiede von mehreren Hundert Kilometern auf.

Im Allgemeinen gilt jedoch, dass das Wetter in der heutigen Zeit,
ohne auf regionale Detailprognosen einzugehen, im Mittel etwa 7 Tage
vorhersagbar ist. Bis zu 10 Tagen kann man noch einen groben Trend
angeben. Schwieriger wird es bei Detailprognosen von Gewittern.
Häufig lässt sich dann nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit angeben.
Aber ob ein Gewitter einen bestimmten Ort trifft, weiß man in den
meisten Fällen maximal eine Stunde vorher. Der Mathematiker und
Chaosforscher Wladimir Igorwitsch Arnold stellte fest, dass die
prinzipielle Grenze von Wettervorhersagen bei 2 Wochen liegt.

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.07.2017

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