Thema des Tages

30-07-2017 14:40

Luftelektrizität und Gewitter

Hinsichtlich ihrer elektrischen Eigenschaften kann man die Erde als
einen riesigen Kugelkondensator betrachten, dessen positive Elektrode
eine sog. Ausgleichsschicht in der unteren Ionosphäre darstellt,
während die negative Elektrode durch die Erdoberfläche realisiert
wird. Dieser "atmosphärische Kondensator" hält eine elektrische
Spannung von bis zu 400000 Volt und bannt einen Großteil der von der
Sonne emittierten kosmischen Höhenstrahlung. Aufgrund der partiellen
Leitfähigkeit der Atmosphäre würde er sich allerdings mit einem
weltweiten Ausgleichsstrom von ca. 1500 Ampere entladen und uns damit
dem schädlichen Einfluss dieser energiereichen Strahlung aussetzen.
Dies wird glücklicherweise durch die weltweite Gewittertätigkeit
verhindert, welche die elektrischen Potentialunterschiede zwischen
der unteren Ionosphäre und der Erdoberfläche aufrechterhält.

In der Atmosphäre entstehen durch radioaktive Strahlung der Erde,
kosmische Strahlung aber auch durch Luftbewegungen positiv und
negativ geladene Ionen, die sich nur teilweise durch Rekombination
wieder zu elektrisch neutralen Atomen bzw. Molekülen vereinigen. So
bildet sich ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung, Rekombination und
Abwanderung elektrischer Ladungen. Bei ruhender, ungestörter
Atmosphäre gelangen positiv geladene Ionen in eine elektrisch gut
leitende Schicht in ca. 70 km Höhe, während sich die Erdoberfläche
negativ auflädt.

In Bodennähe kann die elektrische Feldstärke bis 100 Volt pro Meter
(V/m) betragen. An höheren Objekten, etwa Gebäuden oder Bäumen,
steigt sie stark an, da dort die Äquipotentialflächen des
elektrischen Feldes erheblich deformiert werden. Wird bei gewittrigen
Wetterlagen, bei denen in der Atmosphäre elektrische Feldstärken von
100000 V/m herrschen, die Potentialänderung auf kleinem Raume zu
stark, können an aufragenden Spitzen, z.B. an Schiffsmasten oder
Kirchtürmen, Büschelentladungen auftreten. Diese seltenen Phänomene
sind als "Elmsfeuer" bekannt, dann besteht unmittelbare Blitzgefahr
und höchste Bedrohung für Leib und Leben.

Bei Gewittern werden in Cumulonimbuswolken durch starke vertikale
Luftbewegungen große Mengen von Wassertröpfchen in beträchtliche
Höhen (bis über 10 km) befördert. Dabei entstehen durch
Ladungstrennung elektrische Spannungen von bis zu einer Milliarde
Volt. Die Spannungen entladen sich zwischen verschiedenen
Wolkenteilen als "Wolkenblitze", mit Gesamtlängen von bis zu 100 km,
oder als "Erdblitze" zwischen Wolke und Erdoberfläche; in letzterem
Fall bevorzugt zu exponierten und aufragenden Gegenständen.

Dabei erfolgt die Blitzentladung in ruckartigen Schüben durch
Stoßionisation längs eines sog. Blitzkanals, es sind mehrere (bis
etwa 40) Entladungen im selben Blitzkanal möglich. Die elektrische
Stromstärke eines Blitzes kann 200000 Ampere erreichen, jedoch ist
die Andauer der Hauptentladung mit 1 Mikrosekunde bis 1 Millisekunde
so gering, dass die mittlere elektrische Ladungsmenge nur etwa 20
Amperesekunden beträgt. Dementsprechend klein ist auch der
Energieinhalt von Blitzen.

Die Anzahl der Gewitter auf der Erde schätzt man auf ca. 2000 pro
Stunde (mit etwa 100 Blitzen pro Sekunde), die meisten davon in den
Tropen. In Deutschland ist im langjährigen Mittel der Juli der
gewitterreichste Monat mit einer relativen Häufigkeit von über 40 %.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.07.2017

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst