Thema des Tages

05-08-2017 14:40

Warnschwellen der Unwetterwarnungen, ein komplexes Problem

Derzeit gibt es vermehrt Unwetterwarnungen und die Bevölkerung fragt
uns nach deren Berechtigung. In vielen Fällen ist der Einzelne nicht
direkt von den Unwettern betroffen oder er wird es als solches nicht
empfinden.
Bisweilen geben wir Vorabinformationen heraus, die KEINE
UNWETTERWARNUNG bedeuteten, sondern lediglich auf ein deutlich
erhöhtes Unwetterrisiko hinweisen.

Bezüglich der Warnschwellen ist eines zu erwähnen:
Unwetter führen in den betroffenen Regionen bei gleichen
meteorologischen Messwerten zu unterschiedlichen Folgen und werden
teilweise gar nicht als Unwetter wahrgenommen.

Schauen wir uns erneut das Bild der Jährlichkeiten, also der
Auftrittswahrscheinlichkeit der Starkregenereignisse in der vorletzte
Woche an. (Details dazu im Thema des Tages vom 29.07.2017).
Wir erkennen, dass - bei gleich hoher Niederschlagsmenge im Harz und
an den Alpen - im Harz ein Hundertjahresereignis eintrat, am
Alpenrand aber eine Jährlichkeit teils unter einem Jahr und
schlimmstenfalls ergab sich dort ein Jahrzehntereignis(gelbe Punkte
auf der rechten Karte).
Angenommen, die natürlichen und baulichen Abflussmöglichkeiten
werden an allen Orten auf eine Zehnjährlichkeit des Starkregens
ausgerichtet, so wären in Alpennähe keine Probleme zu erwarten, im
Harz bei gleicher Niederschlagsmenge jedoch massive Schäden, da man
dort auf diese Niederschlagsmengen nicht eingerichtet ist. Die
Unwetterwarnschwelle von 90 Liter in 72 Stunden ist also für den Harz
zu hoch, für den Alpenrand zu niedrig angesetzt.

Betrachten wir nach dem Niederschlag den Wind.
Im Norden Deutschlands und auf den Inseln sind die Leute kräftigen
Wind gewohnt. Auch die Bäume wachsen dort nicht senkrecht nach oben,
sondern haben sich windschnittig in Richtung der windabgewandten
Seite gelegt.
Nach Süden zu sind Starkwindereignisse immer unwahrscheinlicher. In
einigen Gegenden sind sogar Böen der Stärke 9 (um 80 km/h), die im
Norden ganzjährig wiederholt fast ohne Schäden auftreten, seltene
Ereignisse und führen im Süden, wenn man den Medien Glauben schenken
darf, immer wieder zu ?Verwüstungen?.
Auch beim Wind führen also gleiche Werte innerhalb Deutschlands zu
ganz unterschiedlichen Folgen.
Hier wäre sogar noch eine jahreszeitliche Aufteilung in belaubte und
nichtbelaubte Perioden notwendig. Das sehen wir oft bei den
Gewitterböen im Sommer. Sie führen auch unterhalb der
Unwetterwarnschwelle der Stärke 11( um 110km/h) zu entwurzelten und
umstürzenden Bäumen. Das sind dann eindeutig Unwetter, auch wenn die
entsprechenden Unwetterkriterien nicht erfüllt sind.

Beim Schneefall, der z.B. ab 10 cm in 6 Stunden zu Unwetterwarnungen
führt, stellt sich die Lage gleichermaßen sehr unterschiedlich dar.
In Städten wie Frankfurt führen bereits ein bis zwei cm Schnee zum
Verkehrschaos, auf der schwäbischen Alb oder am Alpenrand nimmt man
10 cm Schneehöhe und auch eventuelle Schneeverwehungen bei Starkwind
als Routineereignis hin.

Wir sehen also, es ist sehr schwierig mit Hilfe von deutschlandweiten
Warnschwellen vor Unwettern zu warnen. Was beim einen als etwas
unangenehmes Wetter durchgeht, ist für den anderen schon eine
mittlere Katastrophe.
Eigentlich müsste man entsprechend der Jährlichkeiten für jede
Gegend, Jahreszeit und für jedes meteorologische Element eigene
Unwetterwarnschwellen berechnen und entsprechend warnen. Im Moment
ist das allerdings noch Zukunftsmusik und zu den Detailproblemen
werden Sie in einem kommenden Thema des Tages darüber lesen können.

Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.08.2017

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