Thema des Tages

24-08-2017 14:40

70 Jahre Ballonaufstiege in Lindenberg - eine kleine Zeitreise

Die Meteorologischen Observatorien des Deutschen Wetterdienstes in
Lindenberg sowie auf dem Hohenpeißenberg (ältestes Bergobservatorium
der Welt!) sind nicht nur deutschland- sondern weltweit essentiell
für die Wetter- und Klimaüberwachung. Neben der Datenerfassung und
-auswertung der "üblichen" meteorologischen Parameter wie Temperatur,
Wind, Feuchte, etc. sind langjährige Zeitreihen diverser
Strahlungsgrößen, Turbulenzprozesse in den untersten Schichten der
Atmosphäre sowie Vertikalprofile von Ozon und anderer Spurengase -
insbesondere in Zeiten des Klimawandels - von immenser Bedeutung und
Gegenstand zahlreicher Studien.

Vor kurzem feierte das Observatorium Lindenberg, das im Jahre 1905
vom Meteorologen Richard Aßmann als Königlich-Preußisch
Aeronautisches Observatorium gegründet wurde, 70-jähriges Jubiläum
von Routinemessungen mit Radiosonden. Die Erforschung der
Atmosphärenschichten, deren Eigenschaften unabhängig von den
Bodeneinflüssen sind (freie Atmosphäre), bildete dabei seit jeher
einen der Arbeitsschwerpunkte.

Während es in den ersten Jahren Drachen- und Fesselballonaufstiege
waren, die Parameter und Prozesse in der Atmosphäre erfassten, ließ
man in der Folge freifliegende Ballone mit Registriergeräten starten.
Diese stoßen zwar in größere Höhen vor, konnten aber erst nach dem
Auffinden auf der Erde ausgewertet werden. Daher forderte der
damalige Observatoriumsdirektor Hugo Hergesell (1914-1932) die
Entwicklung einer drahtlosen kontinuierlichen Datenübertragung per
Funk, die 1930 erstmals in Form detaillierter Temperaturangaben aus
14,5 km Höhe (Stratosphäre) in die Tat umgesetzt wurde. Im nächsten
Schritt bestand nun die Herausforderung darin, eine hohe
Messgenauigkeit zu erzielen. Dafür mussten die Sonden vor dem Start
möglichst exakt mittels der vorherrschenden Daten am Boden angeeicht
werden. Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 beschloss der
Kontrollrat der Alliierten ein Jahr später den Wiederaufbau eines
Wetterdienstes in den vier Besatzungszonen und beauftragte Paul
Beelitz als Direktor des mittlerweile umbenannten Aerologischen
Observatoriums Lindenberg (AOL) mit der Rekonstruktion eines
Radiosondenmessnetzes.

Der offizielle Beginn des operationellen Radiosondenaufstiegsdienstes
in Lindenberg war am 15. Juli 1947. Um 13:00 Uhr wurde eine
Radiosonde mit einem wasserstoffgefüllten Ballon gestartet, um die
vertikale Verteilung von Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck und Wind
in der freien Atmosphäre zu messen und zur Bodenstation zu funken. Ab
diesem Zeitpunkt wurden jeden Tag eine Radiosonde und zwei
Pilotballone zur Höhenwindmessung losgeschickt, was 1949 auf zwei
Radiosondenaufstiege aufgestockt wurde. 1957 wurde die Zahl der
Radiosondierungen auf vier pro Tag zu den heute noch geltenden Zeiten
(0, 6, 12, 18 UTC) erweitert.

Ein entscheidender technischer Fortschritt erfolgte 1974 mit
Einführung der METEORIT-II Station, die es erlaubte die Daten digital
zu erfassen, womit die Voraussetzung der automatischen
Datenauswertung geschaffen wurde. Nach der Entwicklung eines
automatischen Empfangssystems (AES-1) und dem Erstellen
entsprechender EDV-Programme durch Mitarbeiter des Lindenberger
Observatoriums wurden unter Nutzung des Zentralrechners des
Meteorologischen Dienstes der DDR die Aufstiege vollautomatisch
ausgewertet.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der Meteorologische
Dienst der DDR am 03.10.1990 in den Deutschen Wetterdienst (DWD)
eingegliedert, womit das Meteorologische Observatorium Lindenberg
(MOL) als solches am 01.01.1991 eingerichtet wurde. Dazu gehörte
wenige Jahre später auch die Rekonstruktion der historischen
Ballonhalle. Seit Juli 2004 erfolgt die Windmessung über GPS, das
heutzutage allgegenwärtige Satellitennavigationssystem zur
Positionsbestimmung. Dabei wird aus der Verlagerung des Senders
während des Aufstiegs der jeweilige Wind in den verschiedenen Höhen
abgeleitet.

Wenn Sie sich für weitere, insbesondere technische Details
interessieren, können Sie diese gerne im ursprünglichen Artikel "70
Jahre Routinemessungen mit Radiosonden in Lindenberg" von den
Kollegen Dr. Ruud Dirksen und Daniella Piela auf unserer Homepage
unter:

http://www.dwd.de/DE/forschung/atmosphaerenbeob/lindenbergersaeule/ra
o_download/aktuell_2017_03.html

nachlesen.

Zum Abschluss noch eine Zusammenstellung interessanter Extremwerte,
die in den vergangenen 70 Jahren Lindenberger Aufstiege registriert
wurden:
- Größte Aufstiegshöhe: 43 500 m (10.09.1976, 18 UTC)
- Niedrigste Temperatur in der Höhe: -88,5 °C in 23 809 m Höhe
(03.02.2016, 12 UTC)
- Höchste Windgeschwindigkeit: 137,5 m/s (495 km/h) in 34 058 m Höhe
(07.01.2016, 12 UTC)
- Weiteste Flugstrecke: ca. 2 500 km (28.10.1970), Fundort:
Kurdzhipskaya (Georgien)

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.08.2017

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