Thema des Tages

11-09-2017 14:40

Der Lebenslauf von Hurrikan ?Irma?


Am kommenden Mittwoch wird der erste richtige Herbststurm für
ordentlichen Wind in weiten Teilen von Deutschland sorgen. Windböen
und Sturmböen stehen auf dem Programm. An der Nordsee und im höheren
Bergland sind sogar orkanartige Böen mit Windgeschwindigkeiten bis
lokal 115 km/h möglich.

Vergleicht man die Windgeschwindigkeiten mit denen, die man auf den
Höhepunkt der Entwicklung von Hurrikan ?Irma? gemessen hat, dann
wird schnell die Dimension dieser Naturgewalt klar. Der (einminütige)
Mittelwind lag bei knapp 300 km/h, die Böen (wenige Sekunden) sicher
noch darüber. Ermitteln kann man die Windgeschwindigkeiten abseits
von Bodenmessungen übrigens mit der Hilfe von Flugzeugen. Diese Flüge
werden von der NOAA (National Oceanic and Atmospheric
Administration) durchgeführt. Dabei durchfliegt man den Hurrikan auf
verschiedenen Flugstrecken mehrfach. Mit Messgeräten und Fallsonden
werden somit die Werte des Hurrikans ermittelt.

?Irma? hat mittlerweile schon einen langen Lebensweg hinter sich
gebracht. Bereits am 30. August hat sich das tropische System
westlich der Kapverdischen Inseln gebildet. Auslöser dafür war wie so
häufig ein größerer Gewittercluster, der sich entlang der sogenannten
innertropischen Konvergenzzone über dem westlichen Afrika gebildet
hat. Unter besten Bedingungen konnte sich diese Störung rasch zu
einem Hurrikan entwickeln. Wichtige Voraussetzungen sind hohe
Wassertemperaturen (>26 Grad bis etwa 50 m Tiefe), hohe relative
Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre sowie wenig Änderungen des Windes
mit der Höhe (vertikale Windscherung). Damit sich ein gegen den
Uhrzeigersinn drehender Hurrikan (Nordhalbkugel!) entwickeln kann,
ist es zudem notwendig, dass der Ursprung ausreichend weit vom
Äquator entfernt liegt (mindestens 500 km). Sonst würde die
notwendige und durch die Erdrotation hervorgerufene Corioliskraft
fehlen.

Fortan trat ?Irma? seinen langen Weg nach Westen über den
atlantischen Ozean an und wurde bereits am 31. August als Kategorie2
Hurrikan eingestuft und kurz darauf mit der Stärke 3 bedacht. Am 04.
September erreicht ?Irma? schließlich Kategorie 4 und einen Tag
später Kategorie 5. Diese Stärke behielt der Hurrikan über
zweieinhalb Tage lang bis zum 08. September bei. Damit gehört ?Irma?
zu den am längsten als Kat5 eingestuften Systemen im Atlantik. Der
Höhepunkt der Entwicklung mit den oben beschriebenen Winden und einem
Kerndruck von 914 hPa war der 06.September. Zum Vergleich: Das
Sturmtief, das am Mittwoch für Deutschland vorhergesagt ist, wird mit
einem Kerndruck von etwa 980 hPa prognostiziert.

Mit diesen Windgeschwindigkeiten ist ?Irma? der stärkste atlantische
Hurrikan, der jemals östlich vom Golf von Mexiko und nördlich der
Karibik gemessen wurde. Hurrikan Allen (1980) im Golf von Mexiko war
nur wenig stärker mit etwas über 300 km/h Mittelwind.
Mit voller Stärke traf ?Irma? am 06. September erstmals auf Land und
hat auf den Leeward Islands (?Inseln unter dem Winde?) für
weitreichende Zerstörung und auch Todesopfer gesorgt. Damit gehört
der Hurrikan zu den stärksten, die jemals auf Land getroffen sind.
Nur die Philippinen im Pazifik haben dies 2013 mit Taifun Haiyan und
2016 mit Taifun Meranti noch übertroffen.

Im weiteren Verlauf zog ?Irma? weiter westwärts, tangierte
Hispaniola und traf schließlich über dem nördlichen Kuba kurzzeitig
an Land. Dieser Landgang schwächte den Hurrikan durch das fehlende
Meerwasser als Energiequelle und die erhöhte Bodenreibung deutlich zu
einem System der Stärke 3 ab. Wäre ?Irma? nur wenig weiter nördlich
gezogen und hätte sich damit nicht so stark abgeschwächt, wären die
jetzt schon weitreichenden Schäden für Florida noch weitaus heftiger
ausgefallen!

Am gestrigen 10. September drehte ?Irma? schließlich auf
Nord-Nordwestkurs ein, überquerte die vorgelagerten Inseln (Florida
Keys) und befindet sich aktuell nach erneutem Landgang direkt über
Florida. Dabei hat er sich deutlich abgeschwächt (derzeit noch Kat1)
sorgt aber noch für ordentlich Wind und viel Regen.

Gemessen wurden Windgeschwindigkeiten in Böen über 190 km/h
(National Key Deer). In Key West gab der Windmesser bei über 140 km/h
seinen Geist auf. Es ist durchaus denkbar, dass auch noch höhere
Windgeschwindigkeiten aufgetreten sind. Außerdem ist die Dimension
des Hurrikans zu erwähnen. Das Windfeld hatte und hat einen sehr
großen Radius, sodass nahezu über der gesamten Halbinsel von Florida
Böen in Orkanstärke gemessen wurden. Neben dem Wind und den heftigen
Regenfällen sorgt vor allem die Sturmflut für große Probleme. Die nur
wenig über dem Meeresspiegel liegenden Regionen entlang der Küsten
wurden großflächig überflutet.

Es ist beeindruckend, dass schon eine Woche vorher die Zugbahn von
den Wettermodellen in etwa so vorhergesagt wurde, wie sie nun
eingetreten ist. Während die Intensitätsvorhersage noch größere
Schwierigkeiten birgt, lässt sich die Zugbahn also schon lange im
Voraus ziemlich gut prognostizieren und es können entsprechende
Vorkehrungen vorab getroffen werden.

Dies kann nur eine erste grobe Zusammenfassung sein. Im Netz finden
sich zahlreiche weitere Informationen, insbesondere über die
Auswirkungen. Am Mittwoch können Sie in einigen Regionen Deutschlands
erleben, wie kräftig sich allein schon Sturmböen anfühlen. Vielleicht
bekommt man dann ein Gefühl dafür, welch heftigen Wind ?Irma?
hervorgebracht hat ? ein Hurrikan für die Geschichtsbücher.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.09.2017

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