Thema des Tages

15-09-2017 14:40

TALIM und DOKSURI: Fast vergessene Naturkatastrophen

Das Medienecho über Hurrikan IRMA verstummt nur langsam. Kein Wunder,
wird doch erst nach und nach das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar.
Die fast bedingungslose und ständige Aufmerksamkeit, die die Medien
IRMA in den vergangenen Tagen schenkten, war nicht unverhältnismäßig.
Was Stärke und Schadensausmaß angehen, war IRMA zumindest in der
Karibik ein außergewöhnliches Ereignis. Im Schatten von IRMA ereignen
sich nun allerdings zwei Naturkatastrophen, die fast gänzlich ohne
Berücksichtigung durch die hiesigen Medien ihren Lauf nehmen. Die
beiden starken tropischen Wirbelstürme TALIM und DOKSURI bedrohen
zurzeit Land und Leben in Ost- und Südostasien.

Taifune, so nennt man die tropischen Wirbelstürme über dem
nordwestlichen Pazifik, sind im Grunde das gleiche meteorologische
Phänomen. Was Sturm und Regen angeht, entfalten sie ähnliche Wucht
wie ihre ?Verwandten? über dem Atlantik, richten sogar häufig weitaus
größeren Schaden an, vor allem dann, wenn sie auf die teilweise armen
Länder Südostasiens treffen. Das wirft natürlich die Frage auf, warum
Taifune keine vergleichbare, intensive mediale ?Betreuung? erfahren.

Es hat sicherlich viele Gründe. Naheliegend mag die Tatsache sein,
dass ?westliche? Medien bevorzugt auch über ?westliche? Ereignisse
berichten wollen. Taifune mögen zwar räumlich betrachtet nicht viel
ferner sein als Hurrikane, kulturell-gesellschaftlich dann aber doch
in einer völlig anderen, ?östlichen Welt? liegen. Zudem verkaufen
sich Berichte über Katastrophen sicher besser, wenn sie mit
reichhaltigem, qualitativ hochwertigem Video- und Bildmaterial sowie
persönlichen Schicksalsgeschichten ?aufgepeppt? werden könnenp. So
etwas ist in strukturschwachen Regionen Südostasiens natürlich häufig
nicht in diesem Maße möglich.

Die Moralfrage soll an dieser Stelle natürlich nicht gestellt werden,
vielmehr wollen wir nun den Blick gen Osten richten und die aktuelle
Entwicklung rund um die beiden Taifune TALIM und DOKSURI beleuchten.

TALIM liegt als Kategorie-1-Taifun mit mittleren
Windgeschwindigkeiten um 150 km/h und Böen über 250 km/h zurzeit noch
mitten über dem Ostchinesischen Meer, nähert sich auf seinem
Nordostkurs aber Japan. Die Modellberechnungen lassen keinen Zweifel,
dass TALIM am Samstagabend auf die dicht besiedelte Insel Kyushu, im
weiteren Verlauf höchstwahrscheinlich auch auf Shikoku und den
Südwesten von Honshu treffen wird. Da sich der Wirbelsturm nicht mehr
wesentlich abschwächen wird, muss dort mit Orkanböen teilweise über
200 km/h, sintflutartigen Regenfällen von lokal mehreren Hundert
Litern auf den Quadratmeter und bei auflandigem Wind mit einer hohen
Sturmflut gerechnet werden.

Gut 2000 Kilometer südwestlich befindet sich Taifun DOKSURI, der
Freitagfrüh bereits als starker Kategorie-3-Taifun auf die Küste
Vietnams traf. Er sorgt in diesen Stunden trotz deutlicher
Abschwächung insbesondere im Bereich des nördlichen Küstenstreifens
von Vietnam noch für Orkanböen über 120 km/h, heftigen Regen und eine
Sturmflut. Am Samstag zieht DOKSURI weiter über Laos in den Norden
Thailands. Dort wird neben Sturmböen ganz besonders der Regen
zunehmend zu einem großen Problem, denn insbesondere in den Nord-Süd
ausgerichteten Gebirgszügen von Laos können sich die Wolken so
richtig schön stauen und abregnen. Mehrere Hundert Liter Regen pro
Quadratmeter, Sturzfluten und Erdrutsche sind zu befürchten.

Ohne Frage: In den betroffenen Regionen besteht eine enorme Gefahr
für Leib und Leben. Besonders in armen, strukturschwachen Regionen,
wo kaum Informationsfluss stattfindet, möglicherweise sogar keine
Evakuierungspläne existieren, trifft es die Menschen im Extremfall
nahezu unvorbereitet. Es sind Naturkatastrophen, die nicht weniger
schlimm sind als Hurrikan IRMA, auch wenn sie in dessen Schatten kaum
Beachtung finden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.09.2017

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