Thema des Tages

05-10-2017 14:40

Sturmtief Xavier und wie darüber vom DWD vorab informiert wurde

In weiten Bereichen Deutschlands wird am heutigen Donnerstag eine
markante Sturmlage erwartet, wobei der Schwerpunkt im Norden und
Osten liegt. Im Oberharz und auch auf den Gipfeln der östlichen
Mittelgebirge drohen gar Orkanböen und auch im Tiefland
Nordostdeutschlands sind einzelne orkanartige Böen besonders an der
Südflanke des Tiefzentrums sowie beim Durchgang der zugehörigen
Kaltfront nicht auszuschließen.

Die vom Computer berechneten Vorhersagemodelle erfassten die
Entwicklung von XAVIER im Verlauf der letzten beiden Tage sehr gut,
wobei sich allerdings kleinere Unsicherheiten mit Blick auf die
genaue Zugbahn ergaben. So erwartete das europäische Modell vom EZMW
(Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen) in
Reading eine etwas nördlichere Zugbahn, wobei das Zentrum von XAVIER
über das südliche Vorpommern nach Polen ziehen sollte. Andere
Vorhersagemodelle deuteten eine etwas südlichere Zugbahn an (z.B. das
deutsche hochaufgelöste Modell COSMO-DE mit einer Zugbahn über
Nordbrandenburg). Diese Unterschiede erscheinen auf den ersten Blick
nicht groß, doch muss berücksichtigt werden, dass sich an der
Südflanke von XAVIER ein sehr kompaktes Sturmfeld ausbildet, sodass
auch solch kleine Verschiebungen z.B. für das südliche Vorpommern
entweder mäßigen Wind oder Sturmböen bedeuten würden. Alle
Vorhersagemodelle waren sich allerdings einige über die Entwicklung
eines kräftigen Sturmtiefs, das im Tagesverlauf über
Nordostdeutschland nach Polen ziehen soll. Aufgrund dieser
Berechnungen wurde daher am gestrigen Mittwochmittag vom Deutschen
Wetterdienst (DWD) eine erste, bezüglich Raum und Zeit etwas gröber
abgefasste Vorabinformation über die "nahende Unwetterlage bezüglich
der Orkanböen" herausgegeben (Wortlaut: "Vorabinformation Unwetter
vor Orkanböen), die dabei alle Modellunsicherheiten der möglichen
Zugbahnen von XAVIER umfasst. Bevor wir aber näher auf die neuesten
Vorhersagen von XAVIER eingehen, soll noch näher auf den Begriff
"Vorabinformation" eingegangen werden.

Zunächst sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine
Vorabinformation KEINE amtliche Unwetterwarnung darstellt.
Vorabinformationen und (Unwetter-)Warnungen sind GETRENNT voneinander
zu betrachten. Warnungen werden je nach Intensitätsstufe nach
bestimmten Kriterien eingeteilt (siehe http://bit.ly/2y0Nybv). Eine
Vorabinformation wird möglichst frühzeitig (rund sechs bis 48
Stunden) vor einem zu erwarteten Unwetterereignis von den
Meteorologen des DWD ausgegeben. Der Gültigkeitszeitraum dieser
Information umfasst den Zeitraum des zu erwartenden
Unwetterereignisses (schwere Gewitter, starkes Tauwetter, starker
Schneefall und/oder Verwehungen, ergiebiger Dauerregen, heftiger
Starkregen, Glatteis, orkanartige Böen oder Orkan).

Für XAVIER wurde die Vorabinformation am gestrigen Mittwoch zur
Mittagszeit ausgegeben mit einer Gültigkeit von Donnerstag (heute) 10
bis 18 Uhr im Norden und von 14 bis 22 Uhr im Osten. Während des
jeweiligen Zeitraums ist also in diesen Bereichen ein Potential für
Unwetter (hier: orkanartige Böen und Orkanböen) gegeben. Eine
Vorabinformation wird je nach Erkenntnisstand nach einer bestimmten
Zeit (z.B. 12 Stunden) konkretisiert bzw. entsprechend angepasst.
Zudem muss diese entweder im Falle des Nichtauftretens aufgehoben
oder im Falle des Eintretens durch eine amtliche Unwetterwarnung
ersetzt werden. Letzteres wurde am gestrigen Mittwochabend umgesetzt
und große Bereiche der Vorabinformation in eine Unwetterwarnung vor
orkanartigen Böen umgewandelt. Die nördlichen, in der
Vorabinformation genannten Bereiche von Schleswig-Holstein bis in die
Uckermark besitzen weiterhin ihre Gültigkeit, da dort erst die
aktuelle Zugbahn des Sturmtiefs entscheidet, wo genau der Nordrand
des unwetterartigen Sturmfeldes verlaufen wird .

Die frühzeitige Ausgabe dieser Vorabinformation ist vor allem für
Behörden und Katastrophenschützer von Interesse, die rechtzeitig
Vorsorgemaßnahmen treffen müssen.
Vorabinformationen werden übrigens auch bei solchen Wetterlagen
ausgegeben werden, bei denen das vorhergesagte Wetterereignis noch
knapp unterhalb der Unwetterwarnschwellen des DWD liegt.

Doch wie ist nun der aktuelle Stand bezüglich XAVIER? Das Sturmtief
marschierte in der Nacht von Großbritannien zur Nordsee und erreichte
am späten Vormittag das deutsch-dänische Grenzgebiet. Im Verlauf des
Tages entwickelt sich besonders auf der West- und Südflanke des
Tiefzentrums das kräftigste Sturmfeld. Dieses erreicht zur
Mittagszeit den Nordwesten (Niedersachsen, Schleswig-Holstein), wird
am Nachmittag dann Sachsen-Anhalt und die südlichen Bereiche
Mecklenburg-Vorpommerns überqueren und in den späten Nachmittag- und
Abendstunden auch Brandenburg, Berlin, Thüringen und Sachsen
erfassen. In diesen Bereichen wird für jeweils einige Stunden mit
schweren Sturmböen bis 100 km/h (Bft 10), teils orkanartigen Böen bis
115 km/h (Bft 11) und vereinzelt auch mit Orkanböen (Bft 12) aus West
bis Nordwest gerechnet. Auf exponierten Berggipfeln erreicht der Wind
in Böen volle Orkanstärke.
Im Westen und über der Mitte Deutschlands liegt bzgl. der stärksten
Böen der Fokus auf der zugehörigen Kaltfront, die zum Mittag den
Westen und zum Nachmittag und Abend die Mitte Deutschlands erreicht.
Dort muss bei Frontpassage in Verbindung mit kräftigen Schauern oder
einzelnen Gewittern durch das Herabmischen des starken Höhenwindes
(vertikaler Impulstransport) bis in tiefe Lagen mit Böen von 80 bis
95 km/h (Bft 9 bis 10) gerechnet werden. Auch dabei sind einzelne
orkanartige Böen Bft 11 nicht ausgeschlossen.
Rückseitig des nach Osten abziehenden Sturmtiefs flaut der Wind zum
Abend von Westen her rasch ab, sodass für viele Bereiche Deutschlands
XAVIER bereits wieder Geschichte ist. In der Oberlausitz treten
jedoch noch bis in die erste Nachthälfte, im Küstenumfeld und im
Bergland die gesamte Nacht über Sturmböen aus West bis Nordwest auf.



Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.10.2017

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