Thema des Tages

06-10-2017 14:40

Sturmtief XAVIER ? der Tag danach

Ein wahrlich turbulenter und denkwürdiger Donnerstag liegt hinter
uns. Wenn in diversen Nachrichtensendungen das Wetter zum Topthema
wird, ist klar, dass etwas Besonderes passiert sein muss. Und
tatsächlich: Sturmtief XAVIER sorgte vor allem im Norden und Osten
Deutschlands mit teilweise heftigem Regen und Sturm für mächtig
"Wirbel". Im heutigen Thema des Tages wollen wir sowohl die
meteorologischen Facetten als auch die Auswirkungen des durchaus
bemerkenswerten Wetterereignisses rückblickend beleuchten.

3000 Kilometer legte der "Schnellläufer" XAVIER innerhalb 24 Stunden
zurück, um vom Nordatlantik her kommend am Donnerstagvormittag mit
seinem Kern den Nordwesten Deutschlands zu erreichen. Als
ausgewachsenes Sturmtief verlagerte er sich schließlich über
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und die Uckermark bis
Donnerstagabend nach Polen. Dabei verstärkte sich der Sturm auf
seinem Weg über das Norddeutsche Tiefland aufgrund günstiger
Entwicklungsbedingungen sogar noch. So sank der minimale Luftdruck im
Tiefkern von 990 hPa auf 985 hPa, während am südlichen Ober- und
Hochrhein zugleich knapp 1020 hPa registriert wurden. Das
Luftdruckgefälle zwischen Süden und Norden vergrößerte sich also bis
auf rund 30 hPa, wobei die Luftdruckgegensätze knapp südlich des
Tiefzentrums besonders scharf ausgeprägt waren.

Dieser veritable Luftdruckgradient, aber auch für ein solches Tief
ganz spezifische komplizierte meteorologische Prozesse, auf die an
dieser Stelle nicht eingegangen werden soll, führten dazu, dass die
höchsten Windgeschwindigkeiten in einem recht schmalen Streifen knapp
südlich des Tiefkerns auftraten. Da das Hauptsturmfeld mit der
Verlagerung des Tiefs rasch von West nach Ost über das Land geführt
wurde, fiel der Sturm kurz aber heftig aus.

Folglich wurde ein erster Höhepunkt des Sturmes am Vormittag und um
die Mittagszeit in Niedersachsen und Hamburg erreicht. Verbreitet
sind schwere Sturmböen um 100 km/h, stellenweise auch orkanartige
Böen bis 115 km/h registriert worden. An der Nordsee kam es zu
einzelnen Orkanböen um 120 km/h. Im Nachmittagsverlauf verlagerte
sich das Hauptsturmfeld über Sachsen-Anhalt rasch nach Brandenburg
und Berlin. Besonders in Brandenburg fegten verbreitet orkanartige
Böen über das Land. Ausgerechnet im Großraum Berlin gesellten sich
auch immer häufiger Orkanböen dazu. Die stärkste Böe wurde indes auf
dem Brocken mit 177 km/h gemessen, was für diesen völlig exponierten
"Fels in der Brandung" aber nicht sonderlich ungewöhnlich ist. In den
übrigen Landesteilen kamen im Tagesverlauf starke bis stürmische
Böen, im Bergland Sturmböen auf den Plan.

Es stand bereits vor Eintreffen des Ereignisses außer Frage, dass
selbst von schweren Sturmböen eine große Gefahr ausgehen würde, vor
allem, wenn man bedenkt, dass sich dieser Sturm zu einer Jahreszeit
ereignete, in der die Bäume noch voller Laub sind und viel leichter
umstürzen als im Hochwinter. Die schweren Sturmböen sind per
DWD-Definition zwar kein Unwetterereignis, der "Impact" in diesem
Fall aber sehr wohl unwetterartig. Insofern entschied sich der
Deutsche Wetterdienst für eine großflächige Unwetterwarnung in einem
breiten Streifen vom Nordwesten bis in den Osten - und das durchaus
gerechtfertigt, wie die nachfolgend aufgeführten, weitreichenden und
teilweise schlimmen Auswirkungen belegen.

Wie befürchtet kam es im Bereich des Hauptsturmfeldes zu massiven
Sturmschäden. Umgestürzte Bäume blockierten vielerorts den
Schienenverkehr, wodurch sich die Deutsche Bahn gezwungen sah, sowohl
den Fern- als auch Nahverkehr teilweise komplett einzustellen.
Tausende Bahnreisende strandeten an den Bahnhöfen, mussten
gebietsweise sogar dort übernachten. Auf Stromleitungen stürzende
Bäume führten zu großflächigen Stromausfällen, die in manchen
Regionen stundenlang anhielten. Insbesondere in den Großstädten
Hamburg, Bremen, Hannover, Braunschweig, Potsdam und Berlin hatten
die Feuerwehren alle Hände voll zu tun. 650 Einsätze zählte die
Feuerwehr Hamburg alleine in zwei Stunden, während die Kollegen in
Berlin sogar den Ausnahmezustand ausriefen. Darüber hinaus kam es im
Flugverkehr zu massiven Beeinträchtigungen. Leider sind mindestens
sieben Menschenopfer zu beklagen, auch meist durch umstürzende Bäume.


Im und knapp nördlich des Tiefzentrums war Sturm dagegen kein großes
Thema, dafür aber der Regen. In einem Streifen von Ostfriesland über
Schleswig-Holstein bis nach Vorpommern schüttete es wahrlich wie aus
Eimern. Meist fielen 30 bis 50 l/qm, stellenweise sogar bis knapp 70
l/qm - und das teilweise in wenigen Stunden. Zwar führten diese
Wassermassen vielerorts zu Überschwemmungen, im Gegensatz zu den
Sturmschäden sind in diesem Fall aber keine größeren Auswirkungen
bekannt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass XAVIER ein
bemerkenswerter, aber mitnichten ein außergewöhnlicher Sturm war. Mit
den großen seiner Zunft wie Orkan KYRILL (2007) oder Orkan Lothar
(1999) konnte er nämlich nicht mithalten. Dennoch, der denkbar
ungünstige Zeitpunkt noch früh in diesem Herbst und die ungewöhnlich
südliche Zugbahn führten zu einer derart großen "Wirkkraft", dass der
Sturm sicherlich als denkwürdiges Wetterereignis in die Geschichte
eingehen wird.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.10.2017

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