Thema des Tages

24-11-2017 14:40

Reinhard oder Ylva - Wie Tiefs zu ihren Namen kommen


Der Tiefdruckkomplex "Reinhard" mit Kernen bei den Britischen Inseln
und über der Norwegischen See bescherte großen Teilen Deutschlands am
gestrigen Donnerstag einen windigen bis stürmischen Tag. Gleichzeitig
tobte der Wind im Norden Norwegens im Zusammenhang mit Tief "Ylva"
("Reinhard II") teilweise in voller Orkanstärke. Betrachtet man die
Bodenanalysekarte vom Donnerstag (siehe Abbildung unter
http://bit.ly/2Arbbwp), so stellt man fest, dass eigentlich ein und
derselbe Tiefdruckkomplex für beide Wetterphänomene verantwortlich
ist. Wie kann das sein?

In Deutschland vergibt seit 1954 das Institut für Meteorologie der
Freien Universität in Berlin die Namen für die Druckgebilde in
alphabetischer Reihenfolge. Zunächst erhielten nur die
Hochdruckgebiete männliche Vornamen, Tiefdruckgebiete entsprechend
weibliche. Diese Praxis führte, da mit Hochdruckgebieten meist
schönes Wetter verbunden ist, zu Protesten von Frauenverbänden. Seit
1998 wechseln daher die Hoch- und Tiefdruckgebiete im jährlichen
Turnus ihr "Geschlecht". In ungeraden Jahren (wie 2017) tragen die
Hochdruckgebiete weibliche Vornamen, in geraden kommen die Herren zum
Zug.

Im November 2002 wurde die Aktion "Wetterpate" ins Leben gerufen.
Seit dieser Zeit kann man für sich oder seinen Nächsten die
Patenschaft an einem Tief- oder Hochdruckgebiet erwerben. Im Gegenzug
erhält der Namenspate ausführliches Material, wie zum Beispiel
Wetterkarten und eine Dokumentation der Lebensgeschichte des
Druckgebildes. Das so eingenommene Geld kommt der Fortführung der
vollständigen Klimabeobachtung und der studentischen
Wetterbeobachtung am Institut für Meteorologie der FU Berlin (Station
Berlin-Dahlem) zugute. Die Patenschaft für Tiefdruckgebiete ist dabei
preisgünstiger als für Hochdruckgebiete. Das liegt daran, dass Tiefs
meist kurzlebiger sind, vielleicht ist manch einer aber auch
gekränkt, wenn ihm ein Tief gewidmet wird. Dafür sind es aber gerade
Sturmtiefs, die in den Medien von sich reden machen.
Ist das Alphabet einmal durchlaufen, fängt man bei der Namensgebung
wieder beim A an. Die Namen der Tiefdruckgebiete durchlaufen in der
Regel vier- bis fünfmal pro Jahr das Alphabet, Hochdruckgebiete
hingegen meist nur zweimal.

In anderen Ländern, wie eben beispielsweise in Norwegen, bekommen nur
Tiefs, die für (überregionale) Unwetter sorgen, einen Namen. Dort
entschloss sich das Meteorologische Institut (also der norwegische
Wetterdienst) in Oslo 1995 dazu, Namenslisten anzufertigen, auf denen
die Namen schon lange vorher festgelegt sind und nach und nach
abgearbeitet werden, egal ob dazwischen ein Jahreswechsel liegt.
Dabei kommt jeder Name nur einmal vor. Eine Patenschaft ist nicht
möglich. Auch werden sie - anders als in Deutschland - der
Öffentlichkeit nicht im Vorfeld preisgegeben, sie stammen von einer
geheimen Liste. Üblicherweise werden kurze typisch norwegische
Vornamen verwendet, wie beispielsweise Ask, Edda, Leif, Sondre oder
Tuva. Dabei werden die ohnehin im Norwegischen unüblichen Buchstaben
Q, W, X und Z, sowie die Sonderbuchstaben Æ, Ø und Å übersprungen.
Fiktiv würde auf Tief "Yngve" also Tief "Agda" folgen. Frauenverbände
werden ebenfalls nicht auf den Proteststand gerufen, denn die
Sturmtiefs erhalten immer abwechselnd einen männlichen und einen
weiblichen Vornamen. Ist man am Ende der Liste angelangt, wird eine
neue angefertigt.
Nachdem mit dem Unwetter-Orkantief "Ylva" der letzte zugelassene
Buchstabe des aktuellen Durchlaufs erreicht ist, wird die
Namensgebung vermutlich ab dem nächsten Unwettertief auf Basis einer
(weiterhin geheimen) Liste erfolgen, zu der die norwegische
Öffentlichkeit beigetragen hat. Diese war nämlich im Jahr 2016
anlässlich des 150. Jubiläums des Meteorologischen Instituts dazu
aufgerufen, ihre Namensvorschläge einzureichen. Die Namen sollten
kurz (also keine Doppelnamen), einfach auszusprechen und neutral
(bspw. keine königlichen Namen) sein.

Auch die beiden nordischen "Nachbarn" Dänemark und Schweden vergeben
Namen an Unwetter. In Dänemark ist dies seit dem Herbst 2013 Praxis,
wobei man ähnliche Regeln wie in Norwegen hat. Der schwedische
Wetterdienst übernimmt in der Regel den Namen, der in Dänemark oder
in Norwegen verwendet wird, da das Wetter zumeist aus einer dieser
Richtungen kommt. Sollte ein Unwetter nur Schweden betreffen, so wird
dieses nach der Person benannt, die an diesem Tag Namenstag hat. Das
erste Mal wurde dies am 28. Oktober 2013 mit dem Sturm "Simone"
praktiziert.

Der Vorteil einer Namensgebung für schadensträchtige Tiefdruckgebiete
liegt darin, dass dies die Kommunikation zwischen Wetterdiensten und
Medien sowie den Katastrophenschutzbehörden erleichtert. Von Zeit zu
Zeit kann die unterschiedliche Benennung der Tiefs für die
Öffentlichkeit (mitunter auch für die Wetterdienste selbst)
verwirrend sein, wenn bspw. Orkan "Christian" (deutsche
Namensgebung), der Ende Oktober 2013 schwere Schäden in Teilen West-,
Mittel- und Nordeuropas anrichtete, im Vereinigten Königreich "St
Jude's Day Storm" und in Schweden "Simone" (vgl. oben) genannt wird.



M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.11.2017

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