Thema des Tages

22-12-2017 14:40

"RRR"-Feuer und Eis

Über die Entstehung der gewaltigen und teilweise auch
rekordverdächtigen Waldbrände in Kalifornien (z.B. auch dem sog.
"Thomas Feuer", siehe dazu die Grafik unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/12/22.html) wurde
bereits im Thema des Tages vom 13.12.2017 (siehe
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/12/13.html)
berichtet. Kühle Santa-Ana-Winde und die trockene Vegetation sorgten
für das "brandgefährliche" Gemisch.
In Kalifornien trat in der eigentlichen winterlichen Regenzeit mit
einem lokalen Niederschlagsmaximum in den Monaten Dezember bis
Februar bisher kein nennenswerter Niederschlag auf. Dies führte zwar
nicht gleich zu einer Trockenheit per Definition (nach Regularien des
Klimabüros), doch nach den heißen Sommermonaten wäre jeder Tropfen
recht gewesen, um die alljährlich stattfindende Waldbrandsaison
(besonders Ende September bis Dezember) zu minimieren. Zwar fielen in
den angrenzenden Bergen die Stauniederschläge der vergangenen Monate
recht üppig aus, doch in den großen Küstenstädten gab es bisher
jedoch nur sehr spärliches Nass von oben. Seit dem 1. Oktober, dem
offiziellen Beginn des Wasserjahres in Kalifornien, bis zum 17.
Dezember wurden in Teilen des Südwestens der USA (kleine gelb
hervorgehobene Fläche rechts unten im Bild) weniger als 5 Prozent des
zu erwartenden Niederschlags beobachtet, wie zum Beispiel in Los
Angeles mit nur 4 Prozent.

Doch nicht nur in Kalifornien, sondern auch im gesamten Umfeld des
Ost- und Nordostpazifiks war das Wetter teilweise außer Rand und
Band. Zur Zeit der Brände erreichte uns Meteorologen eine weitere
Meldung vom Thompson Pass (855 m über Meeresniveau) in Alaska. Diese
Region ist die schneereichste der USA, doch was sich dort Anfang
Dezember abspielte, war selbst für dieses Gebiet sehr ungewöhnlich.
Am 6.12.17 fiel innerhalb von 90 Minuten sagenhafte 38 cm Neuschnee
mit einer Stundenrate von 25 cm. Innerhalb von 12 Stunden wurde gar
100 cm Neuschnee gemeldet (48 Prozent der durchschnittlichen
monatlichen Neuschneemenge). Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass
die Straßen in dieser Region unpassierbar waren. Doch wie hängen die
Brände und Schneefälle miteinander zusammen?

Im Bild ist die grobe Druckverteilung in rund 5.5 km Höhe seit Anfang
Dezember aufgetragen. Dabei erkennen wir einen markanten Höhentrog
("T") über dem offenen Nordostpazifik (mehr Informationen im DWD
Lexikon unter http://bit.ly/2CQEUMl) und einen umfangreichen
Höhenkeil ("H") über der Westküste der USA. Dieses Druckmuster
entwickelte sich in dieser Form während der vergangenen Jahre
wiederholt und mit teilweise unglaublicher Dominanz und Stabilität,
sodass über Wochen hinweg kaum eine Positionsänderung dieses
Strömungsmusters stattfand. Ein Wissenschaftler aus Kalifornien hat
dafür eine zwar etwas unwissenschaftlich klingende, in ihrer
Bedeutung jedoch absolut zutreffende Bezeichnung ins Leben gerufen,
nämlich den "Ridiculously Resilient Ridge" (RRR), was übersetzt so
viel heißt wie:" Ein lächerlich (unglaublich) unverwüstlicher
Höhenrücken". Über die Begründung für die Entstehung des RRR bleiben
selbst in der Wissenschaft noch viele Fragen offen.
Fakt ist aber, dass bei dieser Konstellation auf der Westflanke des
Hochdruckkeils sehr feuchte Luft tropischen Ursprungs direkt nach
Alaska transportiert wird. Dort gleitet sie auf die eisigen
Luftmassen auf und löst ergiebige Niederschläge in Form von heftigen
Schneefällen mit teils extremen Raten aus. Im gleichen Zuge werden
alle Schlechtwetterfronten von der Südwestküste der USA durch den
hochreichenden Höhenrücken effektiv abgeblockt und Niederschlag wird
dort ein regelrechtes Fremdwort.

Wie geht es nun weiter? Mit Blick auf Christmas sorgt die
blockierende Wetterlage für extreme Wettergegensätze. Während in
Kalifornien weiterhin kein Niederschlag zu erwarten ist und somit die
Waldbrandgefahr hoch bleibt, setzt sich die ungewöhnliche
Warmluftzufuhr über den Nordostpazifik nach Alaska fort. Sie soll
sich an den Weihnachtsfeiertagen sogar auf weite Bereiche der Arktis
ausdehnen. Dabei werden dort, wo sich die warme Luft bis zum Boden
durchsetzen kann, positive Temperaturabweichungen in 2 Meter Höhe von
20 bis teils 30 Grad erwartet (im Vergleich zum Mittel der Jahre 1979
bis 2000)! Über die gesamte Arktis gemittelt ergibt sich eine
positive Abweichung von 4 bis 5 Grad. Positive Temperaturwerte sollen
laut des deutschen Wettermodells ICON in 1 bis 1.5 km über Grund gar
eine Region von 75 Grad nördlicher Breite erfassen. Auf der anderen
Seite des Höhenrückens, über Kanada und dem Norden bzw. der Mitte der
USA, wird im Gegenzug sehr kalte Luft weit nach Süden gelenkt mit
negativen Temperaturabweichungen von 10 bis 20 Grad in demselben
klimatologischen Zeitraum. Bis zum Jahreswechsel kommt die eisige
Luft voraussichtlich bis zur Golfküste voran.

Ist diese Entwicklung auch für uns in Deutschland interessant? Die in
der Folge zu erwartende Ostverlagerung der kanadischen und
nordamerikanischen Kaltluft in Richtung Grönland wird der Nährboden
für heftige Tiefdruckentwicklungen über dem Nordostatlantik sein. Ob
sich dies auch auf unser Wetter über den Jahreswechsel hinaus
auswirken wird und die Tiefdruckgebiete vielleicht auch auf
Deutschland zusteuern, werden wir an den kommenden
Weihnachtsfeiertagen und darüber hinaus natürlich ganz genau im Auge
behalten!


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.12.2017

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