Thema des Tages

17-05-2016 14:40

Wenn ein Gewitteraufwind über das Ziel hinausschießt

Die Gewitterzeit hat in Deutschland begonnen und mit ihr die Zeit der
heftigen Regengüsse, des Hagels und der Sturmböen. Majestätisch
thronen sie am Himmel, der aus Cirren (im Deutschen als Federwolken
bekannt, die sich in 8 bis 12 km Höhe befinden) bestehende Amboss
erstrahlt weiß und bietet einen markanten Kontrast zum dunkel
erscheinenden Rest der Gewitterwolke. So kennen wir sie, die
Gewitterwolken. Doch wie sehen die Meteorologen diese Wolken aus der
Perspektive eines Satelliten und können sie dem Meteorologen
bestimmte Hinweise auf die Intensität des Gewitters geben?

Mithilfe eines Satelliten können wir unterschiedliche Höhenbereiche -
unter anderem der untersten Schicht der Erdatmosphäre (der
Troposphäre) - beobachten. In der heutigen Zeit der fortgeschrittenen
Technologie ist es möglich, farblich verfälschte Satellitenbilder zu
erzeugen, wo also mit zusätzlichen künstlichen Farben die Struktur
der Wolkenobergrenze besser dargestellt werden kann. Damit ist es dem
Meteorologen möglich zu erkennen, wie hoch die Wolke in die
Troposphäre vorstößt- je höher, desto kälter ist die Wolke in der
Troposphäre.

Für die Entwicklung eines Gewitters ist feuchte und warme Luft in
Bodennähe notwendig, die aufsteigt und abkühlt. Ab einem bestimmten
Höhenbereich kühlt sich die Temperatur auf den Taupunkt ab und die
Luftmasse ist von hier an gesättigt - es setzt Wolkenbildung
(Kondensation) ein.
Die nun entstandenen Wolken werden als Haufenwolken (lat. Cumulus)
bezeichnet, die immer weiter anwachsen können. Wenn die Aufwinde
(Bewegung der aufsteigenden Luft) kräftig genug sind, dann wachsen
sie bis zur Tropopause. Dies ist der Bereich, der stabil geschichtet
ist, das heißt, dass die Temperatur mit der Höhe wieder zunimmt und
der die Troposphäre darunter von der Stratosphäre darüber trennt. Die
Tropopause liegt an den Polen bei rund 8 km und steigt bis zum
Äquator auf über 15 km an.
Wenn nun solch ein Aufwind an die Tropopause stößt, wirkt diese wie
ein Deckel und die Wolke breitet sich horizontal aus - es entwickelt
sich der "Amboss" und ein Gewitter ist geboren. Je stärker dieser
Aufwind ausgeprägt ist, desto kräftiger und organisierter ist das
Gewitter und desto stärker sind auch die Abwinde in der
Gewitterwolke. Daraus erwachsende Hagelkörner werden mit den Auf- und
Abwinden länger in der Wolke gehalten und können daher immer weiter
anwachsen. Für die Meteorologen ist es also interessant zu wissen,
wenn sich ein sehr kräftiger Aufwindschlot gebildet hat.
Von besonderem Interesse sind die Gewitter, deren Aufwinde durch die
Tropopause sogar durchstoßen und kurzzeitig bis in die untere
Stratosphäre reichen. Dieses Überschießen bzw. der in die
Stratosphäre reichende Aufwind wird in der Meteorologie als
"overshooting top" bezeichnet.

Wenn man nun ein Gewitter mithilfe farblich verfälschter
Satellitenbilder "inspiziert", dann erkennt der Meteorologe solche
"overshooting tops" relativ gut, wie im Beispielbild zu erkennen ist
(siehe DWD Archiv vom Thema des Tages). Nachdem der Aufwindschlot die
Tropopause durchbrochen hat, muss sich dieser durch die stabil
geschichtete Stratosphäre voran arbeiten, was die
Aufwindgeschwindigkeit verringert. Dies geschieht so lange, bis der
Aufwind so langsam geworden ist, dass er regelrecht zusammenbricht
und sich der "overshooting top" auflöst. Je länger dieser besteht,
desto stärker muss der Aufwind sein und desto wahrscheinlicher ist
es, dass das Gewitter sehr kräftig, langlebig und schadensträchtig
ausfallen wird.
Im Satelliten erscheint der Bereich des "overshooting tops" nach
kurzer Zeit wärmer als die direkte Umgebung. Dafür gibt es viele
Gründe, zum Beispiel wird die wärmere Luft der unteren Stratosphäre
in den Aufwind gemischt und die Wolkenoberflächentemperaturen
steigen. Farblich hervorgehoben sehen diese Bereiche manchmal vom
Satelliten aus wie ein "U" oder ein "V".

Sobald solch eine Signatur im Satellitenbild zu erkennen ist, hat der
Meteorologe neben den Radarbildern also einen weiteren Hinweis, dass
das Gewitter langlebig und ein entsprechend hohes Gefahrenpotential
aufweisen könnte und unter Beachtung unzähliger weiterer Parameter
können entsprechende Warnungen herausgegeben werden. Da ein kräftiger
"overshooting top" auch vor dem Eintreffen eines Gewitters durch eine
Aufwölbung aus dem Amboss vom Boden aus gesehen werden kann, ist dies
ein Hinweis darauf, dass das drohende Gewitter eines von der
stärkeren Sorte ist.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.05.2016

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