Thema des Tages

10-01-2018 14:40

Erhebliche Lawinengefahr in den Alpen - Teil 2

Fotos von meterhohen Schneewänden, eingeschneiten Gebäuden und
blockierten Straßen aus den Südalpen kursieren derzeit in den Medien.
In den italienischen Alpen fielen binnen 48 Stunden mehr als zwei
Meter Neuschnee, im schweizerischen Zermatt sind derzeit rund 13.000
Touristen von der Außenwelt abgeschnitten und können nur von
Helikoptern ausgeflogen werden. Durch die Neuschneemassen herrscht
nun extreme Lawinengefahr, die zuständige Behörden haben für Teile
der Südalpen die höchste Warnstufe auf der 5-stufigen Gefahrenskala
ausgerufen. Leider sind dort und auch in anderen Teilen der Alpen
schon einige Lawinenopfer zu beklagen.

Deshalb soll es heute eine (etwas verspätete) Fortsetzung des "Thema
des Tages" vom 15.12.2017 geben, in dem es um die Unterschiede
zwischen Schneebrett-, Lockerschnee- und Gleitschneelawinen ging
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/12/15.html). Eine
deutlich seltenere, aber dafür umso zerstörerische Lawinenart ist die
sogenannte "Staublawine".

Sie ist quasi der "Rennwagen" unter den Lawinen und kann bis zu 300
km/h schnell werden. Meist entwickelt sich eine Staublawine aus einer
Schneebrettlawine oder einer Lockerschneelawine, wenn diese einen
besonders langen und steilen Abhang herunterstürzen. Dabei wird an
der Spitze der Lawine Schnee aufgewirbelt, zu Pulver zerstäubt und
mit Luft vermischt, was eine riesige Schneestaubwolke zur Folge hat.
In einer Kettenreaktion wird die Lawine immer größer und schneller.
Durch den raschen Abgang einer Staublawine wird die Luft vor ihr
komprimiert und eine sogenannte Druckwelle entsteht: Sie eilt der
Lawine voraus und hat eine enorme Zerstörungskraft. Wälder werden
durch Staublawinen regelrecht umgemäht, Dächer von Häusern abgerissen
und Fenster eingedrückt. Wer in eine Staublawine gerät, kann am
aufgewirbelten Schneestaub ersticken, der mit extrem hohem Druck in
die Lungen gepresst wird.

Egal ob Schneebrettlawine oder Staublawine: Wenn sie abgehen, besteht
Lebensgefahr. Deshalb sollten präparierte und gesicherte Skipisten
(z.B. fürs Freeriden oder Tourengehen) nur bei genügender Erfahrung
und Kenntnis der Lawinensituation verlassen werden - und natürlich
nur mit entsprechender Notfallausrüstung. Eine gute Ausrüstung
verhindert zwar keinen Lawinenunfall, kann aber die Überlebenschancen
in einer Lawine erhöhen. Drei Dinge sind dabei unerlässlich: ein
Lawinenverschütteten-Suchgerät (LVS-Gerät), eine Lawinensonde und
eine Schaufel. Im Falle eines Lawinenabgangs schalten die suchenden
Personen ihr LVS-Gerät vom Sendebetrieb auf Suchmodus, um die
verschüttete Person zu orten. Erhält ein LVS-Gerät ein akustisches
Pieps-Signal, beginnt die Grobsuche. Hat man dann den Suchradius
mittels des LVS-Gerätes eingrenzen können, wird die Sonde
hervorgeholt. Mit diesem ausklappbaren "Stock" wird das betroffene
Areal rasterartig durchsucht. Dabei wird die Sonde senkrecht in den
Schnee gesteckt und auf Widerstand getestet. Erfahrene Sucher
erkennen, ob es sich bei dem Widerstand um normale Schneemassen,
Felsen, Eis oder den Verschütteten handelt. Mit Hilfe der Sonde kann
die genaue Lage und Tiefe des Verschütteten festgestellt werden.
Nachdem das Opfer geortet ist, kommt die Lawinenschaufel zum Einsatz.
Bei all dem ist die Zeit der härteste Gegner: Denn bereits nach 15
Minuten sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Verschütteten um
ein Vielfaches.

Und falls man selbst in eine Lawine gerät, gilt es folgende Regeln zu
beherzigen: Mit Schwimmbewegungen versuchen, sich an der Oberfläche
zu halten, kurz vor Lawinenstillstand die Hände über Mund und Nase zu
einer Atemhöhle wölben und (leichter gesagt als getan) Ruhe bewahren.


Auch wenn die Lawinengefahr allmählich etwas abnimmt, bleibt zu
hoffen, dass die Zahl der Lawinenopfer nicht noch weiter steigt - und
die eingeschneiten Wintersportler bald ihre Heimreise antreten
können. Wobei sich viele vermutlich Schlimmeres vorstellen können,
als inmitten einer weißen Schneelandschaft festzusitzen. Zumal die
dortigen Geschäfte derzeit laut Medienberichten teilweise kostenlos
Wein und Käsegerichte anbieten ;-).

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.01.2018

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