Thema des Tages

22-05-2016 14:41

Wolken wie Wellen

Wie bereits im Thema des Tages vom 05.05.2016 "Wolken und ihre
Bezeichnungen" behandelt wurde, gibt es viele verschiedene
Wolkentypen, bei deren Klassifikation das Erscheinungsbild, die Form,
Größe und Gestalt der Wolke und die hervorgerufenen optischen Effekte
wie Schatten oder Lichtdurchlässigkeit mit einbezogen werden. Die
einen kommen häufiger, die anderen etwas seltener vor und einige
Wolkentypen sehen spektakulär aus und lösen beim Betrachter
regelrechtes Erstaunen aus. Eine bestimmte Wolkenformation ähnelt
dabei meist mehreren, nur langsam und in eine bestimmte Richtung
brechenden Wasserwellen und wird durch die sogenannte
Kelvin-Helmholtz-Instabilität ausgelöst

Diese Wellen sorgten zum Beispiel am Morgen des 11.04.2016 in
Digne-les-Bains in der Provence in Frankreich für Aufsehen. Ein Foto
finden Sie mit freundlicher Genehmigung eines aufmerksamen Fotografen
als Grafik 1 im Anhang an das Thema des Tages unter
www.dwd.de/tagesthema. Grafik 2 zeigt ein weiteres eindrucksvolles
Beispiel dieser faszinierenden Wellen auf einer Wolkendecke, die von
der DWD-Wetterwarte aus unterhalb des 1215 m hohen Fichtelbergs im
Erzgebirge in Sachsen an einem Februarmorgen (2014) beobachtet werden
konnten.

Der Mechanismus trägt den Namen zweier berühmter Wissenschaftler, die
die mathematischen Grundlagen zur Beschreibung dieses Phänomens
legten. William Thomson, erster Baron Kelvin, oder besser bekannt als
Lord Kelvin forschte als irischer Physiker im 19. Jahrhundert sehr
erfolgreich auf den Gebieten der Elektrizitätslehre, der
Thermodynamik sowie der Strömungslehre. Hermann von Helmholtz war ein
deutscher Physiologe und Physiker, der etwa zur selben Zeit wie Lord
Kelvin lebte. Helmholtz ging als einer der vielseitigsten
Naturwissenschaftler seiner Zeit in die Geschichte ein und erforschte
unter anderem in der sogenannten Hydrodynamik das Verhalten und die
Bewegung von Wirbeln in idealen, d. h. reibungsfreien Flüssigkeiten.


Die typische Wellenstruktur entsteht häufig an einer sogenannten
Inversionsschicht, die zwei übereinander liegende und
charakteristisch unterschiedliche Luftmassen voneinander wie eine
unsichtbare Grenze trennt. Normalerweise nimmt die Temperatur in der
unteren Atmosphäre (Troposphäre) mit zunehmender Höhe ab. Bei einer
Inversion kommt es jedoch in einer mehr oder weniger mächtigen
Luftschicht mit zunehmender Höhe zu einem Temperaturanstieg. In der
Atmosphäre liegt also eine warme und trockene Schicht über einer
kälteren und feuchteren Luft. Weisen beide Luftmassen nun zudem
unterschiedliche Geschwindigkeiten oder auch verschiedene
Bewegungsrichtungen auf, können sich im Grenzbereich durch geringste
Störungen Kelvin-Helmholtz-Wellen bilden. Dabei "reißt" die obere
Luftschicht, die in der abgebildeten Skizze in Grafik 4 eine höhere
Geschwindigkeit und eine geringe Luftfeuchte aufweist, Teile der
feuchteren Luftmasse der sich langsamer bewegenden, unteren Schicht
nach oben, wodurch die wellenartigen, rollenden Strukturen gebildet
werden.

Allerdings sind solche Wellen nur selten für das menschliche Auge
sichtbar. Bei nur geringer Luftfeuchtigkeit treten diese
Verwirbelungen beispielsweise für Piloten von Flugzeugen meist
überraschend auf. Durch die fehlende Feuchte bringen diese
Verwirbelungen keine sichtbaren Wettererscheinungen mit sich und
bleiben so dem Betrachter verborgen. Die dabei auftretenden Auf- und
Abwinde gleichen jedoch einer wilden Achterbahnfahrt und können
Flugzeug und Passagiere gut durchschütteln.

Seit ihrer Entdeckung im 19. Jahrhundert wurden
Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten übrigens nahezu im gesamten Universum
beobachtet. Sie treten nicht nur als gigantische Wellen am Himmel
oder als vom Wind angeregte Wasserwellen auf, auch in den Atmosphären
von Jupiter (Stichwort "großes rotes Auge") und Saturn sind sie
präsent (siehe Grafik 3, Quelle:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Saturn_Kelvin_Helmholtz.jpg).
Selbst in unserem Erdmagnetfeld und der Sonnenkorona, also der
Atmosphäre der Sonne, finden sich die faszinierenden Instabilitäten
wieder.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.05.2016

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