Thema des Tages

20-02-2018 08:50

Möglicher Rekordhagel in Cordoba, Argentinien

In Argentinien, auf der Südhalbkugel gelegen, herrscht von Dezember
bis März Sommer, wobei die große Nord-Süd Ausdehnung Argentinien
unterschiedlichste Klimazonen beschert. Unser Blick richtet sich
dabei in diesem Thema des Tages auf die mit 1,3 Millionen Einwohnern
nach Buenos Aires zweitgrößte Stadt Argentiniens: Cordoba. Die Stadt
wurde in der dem Text beigefügten Abbildung jeweils mit einem gelben
Stern hervorgehoben und liegt rund 650 km westnordwestlich der
Hauptstadt Buenos Aires. Um die Entstehung der Gewitter
nachvollziehen zu können, müssen wir auch kurz auf die geografischen
Besonderheiten in dieser Region eingehen. In a) ist ganz im Westen
des Kontinents der gewaltige Nord-Süd ausgerichtete Gebirgszug der
Anden auszumachen, der sich in Höhenbereiche von 4000 bis teils mehr
als 6000 m über dem Meeresspiegel erstreckt. In b) wurde zudem ein
relativ kleiner, östlich der Anden gelegener Gebirgszug mit dem Namen
"Sierras de Cordoba" hervorgehoben, entlang dem sich die Gewitter am
8. Februar unter anderem entwickeln sollten. Cordoba selber liegt nur
rund 20 km östlich dieses Gebirges, wobei das Gelände innerhalb
dieser Distanz um mehr als 1000 m abfällt.

Die Stadt liegt im Einflussbereich der Westwindzone und wird daher
immer wieder durch von West nach Ost ziehende Tiefdruckgebiete und
Fronten beeinflusst. Das unglaublich vielfältige Klima in diesem
Thema des Tages näher zu beschreiben würde den Rahmen des Beitrages
deutlich sprengen. Daher soll nur eine Auffälligkeit hervorgehoben
werden. Wenn die feuchte und kühle Luftmasse vom Pazifik kommend auf
die Anden trifft, wird sie zum Aufsteigen gezwungen, kühlt sich ab
und bildet Wolken- und Regentropfen. Im Lee der Anden hingegen
beginnt die Luftmasse der rasch abfallenden Orografie folgend nach
unten zu stürzen und erwärmt sich dabei um 1 Grad pro 100 Meter. Mal
bricht diese Luftmasse als trockener und heißer Fallwind bis zum
Boden durch (namens "Zonda"), mal weht dieser hunderte von Metern
über dem Erdboden nach Osten.

Am 8. Februar überquerte den Süden von Südamerika ein Höhentrog
(siehe DWD Lexikon) von West nach Ost und sorgte dafür, dass in rund
4 bis 5 km über Grund ein mäßiger Westwind die Anden überquerte (in
a) durch die Windvektoren hervorgehoben, wobei ein kleiner Strich 5
Knoten (grob 9 km/h) und jeder große Strich jeweils 10 Knoten (grob
19 km/h) Windgeschwindigkeit bedeuten). Diese trockene und warme
Luftmasse strömte östlich der Anden und da speziell östlich der
"Sierras de Cordoba" über eine bodennah sehr feuchte Luftmasse. Die
am Boden gemessenen Taupunkte lagen zwischen 17 und 24 Grad, was in
Verbindung mit Höchstwerten von 32 bis knapp 40 Grad eine extrem
schwüle Luftmasse bedeutete (siehe b)).

Tagsüber sorgte die Sonneneinstrahlung nun dafür, dass die feuchte
und bodennah wärmer werdende Luftmasse immer mehr danach strebte
aufzusteigen, da Luft eine immer geringere Dichte besitzt und
leichter wird, je wärmer sie ist. Diese Aufwärtsbewegung wurde
allerdings bis weit in den Tag durch die darüber liegende trockene
und vor allem warme Luftmasse unterdrückt, die von den Anden ostwärts
strömte. Dieser Zustand wird als "potentiell labil" bezeichnet, wenn,
wie hier, die Luftmasse am Aufsteigen (noch) gehindert wird. In a)
ist diese Labilität farblich dargestellt, wobei rote Farben eine sehr
labile Atmosphäre andeuten mit dem Potential für kräftige Gewitter.

Im Verlauf des späten Nachmittags allerdings wurde die bodennahe
Luftmasse soweit aufgeheizt, dass sie über der "Sierras de Cordoba"
in die Höhe schoss. Die aufsteigende Luft wird auch als "Aufwind"
bezeichnet. Durch das rasche Aufsteigen kühlte sich die Luft schnell
ab, bildete Wolken- und Regentröpfchen und letztendlich gewaltige
Gewitterwolken, die mit heftigem Regen einhergingen. Gewitterwolken
beinhalten aber auch Hagelkörner, die bei solch heftig aufsteigenden
Luftmassen wie am 8. Februar sehr lange in den Wolken gehalten werden
können und immer weiter anwachsen, bis sie nicht mehr in der Luft
gehalten werden können. Dann fallen die Hagelkörner mal kleiner, mal
größer zur Erde.

In c) ist im Satellitenbild knapp westlich von Cordoba ein roter
Punkt zu sehen. Je oranger und roter die Farbe, desto kälter und
hochreichender ist die Wolke. Dies ist ein sogenannter "overshooting
top", wo die Gewitterwolke bis in die untere Stratosphäre reicht.
Dort sind die stärksten Aufwinde zu finden, die Cordoba zu dem
Zeitpunkt überqueren. Dieses Gewitter ließ dort für 20 Minuten
Hagel"körner" mit teils mehr als 10 cm Durchmesser niederprasseln.
Eines der Hagelgeschosse wies sogar einen Durchmesser von knapp 18 cm
auf, was, wenn bestätigt, ein neuer Größenrekord für die südliche
Hemisphäre darstellen würde. In d) erkennt man, wie dieses Unwetter
ohne Abschwächung weiter nach Nordosten zog und wie sich auch weiter
südlich ein weiteres heftiges Gewitter bildete, das ebenfalls großen
Hagel brachte. Sehr schön sind auch Schwerewellen am Oberrand des
Gewitters auszumachen, die entstehen, wenn der Aufwind stark
vereinfacht gesprochen in die wärmere und somit stabil geschichtete
Tropopause vorstößt, somit bildlich gesprochen wie gegen eine Wand
läuft und wieder in sich zusammenfällt. Dabei bildet sich ein
overshooting top, der in sich zusammenfällt und übrig bleiben nur
Cirren (siehe DWD Lexikon). Diese werden in der Meteorologie als
"jumping cirrus" bezeichnet, sind ebenfalls in Indikator für heftige
Gewitter und wurden in d) hervorgehoben. Wie in e) zu sehen ist
dauerten die heftigen Unwetter bis weit in die Nacht an und brachten
neben großem Hagel auch Starkregen, Sturmböen und unzählige
Blitzentladungen.

Auch wenn Cordoba in der argentinischen Hagelzone liegt, wo immer
wieder große Hagelereignisse vermeldet werden, wird den Bewohnern
dieses Ereignis dank der gewaltigen Hageldurchmesser noch lange in
Erinnerung bleiben. Nun aber neigt sich die Sommerzeit allmählich dem
Ende entgegen und aus klimatologischer Sicht verringert sich nun
sowohl die Anzahl, als auch die Intensität der Gewittertage und
-ereignisse.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.02.2018

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