Thema des Tages

21-02-2018 11:50

"Sudden Stratospheric Warming" - Kommt der "Dejà-vu-Winter"?

Betrachtet man die aktuellen großräumigen Bedingungen in der unteren
Stratosphäre zwischen 20 und 25 km Höhe als auch in bodennahen
Atmosphären Schichten über Europa, so gibt es derzeit eindeutige
Signale für eine tief winterliche Witterungsperiode in weiten Teilen
Europas in den nächsten Tagen. Dies lässt Erinnerungen an den
Spätwinter 2013 aufkommen, in dem ein markanter Kaltlufteinbruch für
einen sehr kalten Februar und März sorgte.
Ähnlich zu damals wirkt sich derzeit in der Höhe das meteorologische
Phänomen des "Sudden Stratospheric Warming" aus. Im Winter erreichen
die Temperaturen über der Arktis in 20 bis 25 km Höhe normalerweise
Werte um -70° C. Im Sommer sind es noch ca. -30°C. Im Normalfall
bildet sich in der Stratosphäre eine Kreisströmung gegen den
Uhrzeigersinn aus. Dieses System ist auch unter dem Begriff
stratosphärischer Polarwirbel bekannt und kann auch als ein
großräumiges Höhentief angesehen werden.


In der vergangenen Woche kam es in der unteren Stratosphäre zu einer
kräftigen plötzlichen Erwärmung, dem "Sudden Stratospheric Warming".
Die Temperaturen im genannten Höhenniveau stiegen teilweise über 24
°C an (vgl. Graphik 1 vom ECMWF). Erwärmt sich die Stratosphäre
plötzlich sehr stark, wie im aktuellen Fall, schwächt sich der
Polarwirbel ab. In manchen Fällen spaltet er sich auch in zwei Äste
(Splitting), bricht komplett zusammen oder die Kreisströmung dreht
sich sogar um. Derzeit kann ein markantes Polarwirbel-Splitting
beobachtet werden (vgl. Graphik 2 der FU Berlin).
Das Splitting oder der Zusammenbruch des Polarwirbels hat mit einer
zeitlichen Verzögerung Auswirkungen auf die Verhältnisse in tieferen
Luftschichten. Oftmals stellen sich dann blockierende Wetterlagen
ein, wobei hoher Luftdruck vom Nordatlantik über Skandinavien bis
nach Westrussland reicht (vgl. Graphik 3). Dabei schwächt sich die
die meist über Europa vorherrschende westliche Strömung ab und dreht
sich über Mitteleuropa auf östliche Richtungen. Mit dieser östlichen
Strömung gelangt die Kaltluft, die sich im Bereich der Hochdruckzone
über Nord- und Osteuropa ansammelt, in abgeschwächter Form
schließlich auch nach Deutschland.


Mit Eintreffen der eisigen Festlandsluft aus Sibirien fallen die
Temperaturen in Deutschland ab Sonntag in den Keller. Tagsüber wird
nahezu landesweit Dauerfrost vorherrschen. Nachts dominiert mäßiger
bis strenger Frost mit Temperaturen bis -15 Grad, über Schnee auch
darunter.
Atlantische Tiefdruckgebiete müssen aufgrund der Blockierung eine
südliche Bahn über den Mittelmeerraum einschlagen oder aber weit
nördlich über das Nordmeer ausweichen, sodass die Zufuhr milderer
Luft vom Atlantik unterbunden wird.

Ähnliche Bedingungen wurden auch im Januar und Februar 2013
beobachtet. Damals trat sogar zweimal das Phänomen der plötzlichen
stratosphärischen Erwärmung auf. In der Folge kam es ebenfalls zu
einem Polarwirbel-Splitting. Am Boden breitete sich nachfolgend
analog zu diesem Jahr hoher Luftdruck von den Britischen Inseln bis
nach Russland aus (vgl. Graphik 4). Gleichzeitig wirbelte auch ein
Tief im Mittelmeerraum. Am Ende konnten wir auf einen eisigen März
zurückblicken, in dem die negativen Temperaturabweichungen im
Vergleich zum vieljährigen Mittel zwischen 2 und 5 Grad betrugen.


Grundsätzlich handelt es sich bei dem Phänomen des "Sudden
Stratospheric Warming" um ein kurzzeitiges Ereignis. Der sehr
plötzlichen starken Erwärmung folgt meistens auch wieder eine sehr
schnelle starke Abkühlung. Da die Elemente wie Luft oder Wasser träge
bzw. sehr träge sind, kann sich der Normalzustand der unteren
Atmosphäre, wie eingangs beschrieben, zum Boden hin aber nur etwas
langsamer einstellen.


Ob der Kälteeinbruch ab dem kommenden Wochenende der Auftakt zu einer
längeren frostigen Periode ist oder doch nur eine kurze
hochwinterliche Episode von etwa einer Woche bleibt somit abzuwarten.


Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.02.2018

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