Thema des Tages

27-02-2018 09:50

Februar 1956 - Ein Leben wie in der Tiefkühltruhe

Nachdem der bisherige Winter 2017/18 (Monate Dezember bis Februar)
relativ mild ausfiel, endet er aktuell mit einem bemerkenswerten
Finale. Schon letzte Woche war in den Medien von der "russischen
Kältepeitsche" die Rede und tatsächlich frieren wir heute und in den
kommenden Tagen bei Dauerfrost. Nachts können gebietsweise strenge
Fröste unter -15 °C insbesondere in Regionen ohne Schneedecke
(sogenannter Kahlfrost) Schäden in der Landschaft verursachen.



Eine derartige Kälteperiode ist Ende Februar zwar durchaus
ungewöhnlich, aber verglichen mit den Wetterbedingungen in den
historischen Februarmonaten 1929 und 1956 ziemlich harmlos. Diese
Februarmonate waren in weiten Teilen Deutschlands von einer
verheerenden Kälte geprägt. Die Durchschnittstemperatur lag mit
-9,6°C jeweils 10 Grad unter dem langjährigen Mittel (1961-1990).
Vielleicht können Sie sich zum Vergleich noch an den ziemlich kalten
Februar 2012 erinnern, in dem bei eisigen Temperaturen zahlreiche
Flüsse zu Eis erstarrten und uns seit langem mal wieder gezeigt
wurde, was der Winter zu bieten hat. Damals lag die durchschnittliche
Februartemperatur allerdings gerade einmal bei -2,5°C, was
verdeutlicht, wie außergewöhnlich die Februare 1929 und 1956 waren.



Um in Deutschland derart kalte Temperaturen zu erreichen, müssen
viele Faktoren gleichzeitig zusammenspielen. Zum einen muss ein
andauerndes Hoch über dem Atlantik Tiefdruckgebieten den Weg zu uns
versperren, welche normalerweise von Westen feuchte und milde Luft im
Gepäck haben. Zum anderen müssen sowohl Hochdruckgebiete über
Skandinavien oder Nordosteuropa im Zusammenspiel mit tiefem Luftdruck
im Mittelmeerraum mit einer östlichen bis nordöstlichen Strömung
sibirische Kaltluft nach Deutschland transportieren. Außerdem kann
eine Schneedecke die nächtliche Abkühlung in sternenklaren Nächten
unterstützen. All dies war 1956 über ganze 4 Wochen der Fall.



Der Monat begann mit einem kräftigen Hoch über Skandinavien und einem
Tief über dem Mittelmeer. Zuvor konnte sich über Sibirien ein
massiver Kaltluftkörper bilden, der sich mit einer strammen
Ostströmung auf dem Weg nach Deutschland machte, ohne sich deutlich
zu erwärmen. Dadurch verharrten die Temperaturen selbst tagsüber
verbreitet bei -15°C und bitterkalte Nächte von teils weit unter
-20°C waren die Folge. Zu dieser Zeit lagen im Flachland nur wenige
Zentimeter Schnee, in Teilen Ostdeutschlands war es sogar schneefrei,
sodass Kahlfröste dort besonders schlimm zuschlugen. Um den 3.
Februar wurde es vorübergehend im Nordwesten Deutschlands mit
Temperaturen tagsüber knapp über dem Gefrierpunkt etwas milder, im
Süden blieb es weiterhin frostig.



Schon in den Folgetagen baute sich über dem Atlantik ein neues
kräftiges Hochdruckgebiet auf, das bis ins Nordmeer vordrang. An
dessen Ostflanke zog am 8. Februar ein kleines Schneetief von Norden
kommend über die Osthälfte Deutschlands und lud dort verbreitet satte
10 bis 20 cm Schnee ab.



Ab dem 9. Februar kam, verursacht durch ein Hoch über Großbritannien
und dem Nordatlantik zusammen mit einem Tief über dem zentralen
Mittelmeer, eine kräftige Nordostströmung in Gang, die erneut extrem
kalte Luft nach Deutschland führte. Außer im Nordwesten sank die
Temperatur über der Schneedecke verbreitet auf -20 bis -30°C. Das
führte sogar dazu, dass selbst der Rhein zufror und man in Köln
trockenen Fußes "über Wasser gehen" konnte, was seither nie mehr
möglich war. Auch tagsüber herrschten Temperaturen wie in der
Tiefkühltruhe. Beispielsweise betrug am 9. Februar die
Höchsttemperatur (!) in Görlitz -21°C und in der darauf folgenden
Nacht wurden in Wasserburg am Inn kaum vorstellbare -35°C gemessen.



Zwischen dem 13. und 16. Februar kreisten mehrere kleine Tiefs über
Mitteleuropa und brachten nun auch dem Westen Deutschlands eine
ordentliche Packung Schnee (20 bis 40 cm Neuschnee im Flachland).
Somit lag nun mit Ausnahme des Nordwestens fast flächendeckend im
Tiefland eine 15 bis 30, gebietsweise sogar 50 cm mächtige
Schneedecke. Zu allem Überfluss erneuerte sich danach nochmals die
Ostströmung und es dominierte in weiten Teilen Europas
Hochdruckeinfluss. Dauerfrost um -5°C und eisige Nächte von -10 bis
unter -20°C waren die Folge.



Erst ab dem 25. Februar setzte eine leichte Milderung ein und erste
Wetterstationen meldeten positive Temperaturen. Danach stellte sich
die Wetterlage grundlegend um und ab dem 27. Februar setzte mit einer
sich formierenden Westströmung Tauwetter ein.



Ob wir selbst nochmals einen ähnlich kalten Wintermonat erleben,
bleibt abzuwarten. Auch in Zeiten der Klimaerwärmung kann es bei
ähnlichen Wetterkonstellationen extreme Kältewellen geben. Allerdings
kommen solche "Ausreißer" nur alle 50 bis 100 Jahre einmal vor.


Dipl.-Met. Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.02.2018

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