Thema des Tages

16-03-2018 09:20

Ein norddeutsches Wintergemälde

Rekapitulation: Wir schreiben Ende Februar 2018. Es weht ein eisiger
Ost- bis Nordostwind, der zeitweise dichten Flockenwirbel vor sich
hertreibt. Wir sprechen jetzt nicht von den eisigen Breiten der
Arktis (die zu der Zeit in exponierten Lagen teilweise höhere
Tageshöchstwerte als Deutschland aufwiesen), sondern von den
Küstenstreifen der Ostsee. Über Tage hinweg wehte ein zunächst
trocken kalter Nordostwind über die mit +1 bis +3 Grad
vergleichsweise "milde" Ostsee und nahm besonders in den untersten
1500 m der Atmosphäre reichlich Feuchte auf. Diese wurde unablässig
in Richtung der Küstenstreifen von Mecklenburg-Vorpommern und der
östlichen Küstenabschnitte Schleswig-Holsteins geführt. Während des
Überstreichens der Ostsee "erwärmte" sich dabei die unterste
Luftschicht, die nun regelrecht zu brodeln begann. Die erwärmte Luft
stieg auf und kühlte sich dabei ab. Grundsätzlich gilt, je kälter die
Luftmasse in der Höhe ist, umso höher kann die Luft von unten nach
oben steigen, dabei kondensieren und hochreichende Wolken bilden.
Ende Februar lagen die Temperaturwerte bei zeitweise unter -40 Grad
in 500 hPa (was bei der Temperatur einer Höhe von rund 5000 bis 5100
m über Grund entsprach) und somit war es kalt genug, dass sich
kräftige Schauer, vereinzelt gar kurze Gewitter bilden konnten, die
an die Küsten geführt wurden.

Letztendlich war noch bedeutend, dass sich der Wind über mehrere Tage
mit der Höhe kaum änderte. Unter solchen Bedingungen können kräftige
und zeitweise auch stationäre Schauerstraßen entstehen, die den
jeweiligen Regionen heftiges Schneetreiben bescheren (in der
Meteorologie als der sogenannte "lake effect" bekannt). Dem Synonym
einer "Straße" entsprechend fällt dabei an einem Ort viel Schnee,
während der nur wenige Kilometer entfernte Nachbarort kaum
nennenswerte Neuschneemengen vermelden kann. Wie heftig es dabei
schneien kann, war auf der Webcam von Rostock am 27. Februar gegen
10:30 Uhr Lokalzeit sehr gut zu erkennen (siehe dazu die beigefügte
Abbildung c)).
Über Land beginnen sich die Schauer allmählich abzuschwächen, da die
wärmende und anfeuchtende Ostsee fehlt. Sie können ihre Schneelast
aber dennoch bis weit ins Landesinnere verteilen.

Doch betrachten wir dieses Ereignis mal von oben, und zwar durch die
"Augen" des Satelliten "Suomi NPP (National Polar-orbiting
Partnership) aus rund 824 km Höhe über Grund. Wie der Name bereits
sagt, handelt es sich dabei um einen polarumlaufenden Satelliten,
sodass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Bilder sehr begrenzt
ist, die dann allerdings in einer unglaublichen Kontraststärke und
Detailgenauigkeit vorliegen. Dabei wird der für uns interessante
Bereich tagsüber zweimal vom Satelliten überflogen, der gegen 12 und
14 Uhr MEZ die entsprechenden Bilder liefert.

Betrachten wir dabei den gesamten norddeutschen Raum um 12:41 Uhr MEZ
in der Abbildung a), so kann man über der Deutschen Bucht und
ansatzweise auch im Norden Schleswig-Holsteins eine
Schneeschauerstraße erkennen, die zu dem Zeitpunkt lokal noch einiges
an Neuschnee brachte. Ansonsten sieht man dank der wolkenfreien
Bedingungen besonders im Ostseeumfeld viel Schnee liegen. Wenn man
genau hinschaut, erkennt man sogar unterschiedliche Weißtöne, je
nachdem, ob lokal noch etwas Erde oder Vegetation zwischen den
Schneefeldern hervorschaut, oder ob die Schneedecke dick genug ist,
um alles in ein weißes Tuch zu hüllen. Besonders in der blau
hervorgehobenen Region fiel zeitweise kräftig Schnee, da hier die
Schneeschauerbänder dank der Nähe zur Ostsee am kräftigsten ausfielen
und teils für längere Zeit ihre Schneelast abladen konnten.

Weiter im Landesinneren Richtung östliches Niedersachsen und Altmark
ist deutlich weniger Neuschnee vorhanden, erkennbar an der teils
recht bräunlichen Färbung. Das verwundet auch nicht, ist doch die für
die Schneeschauer notwendige Ostsee in Anströmrichtung rund 150 bis
250 km entfernt. Dennoch verirrten sich auch hier immer wieder einige
Schneeschauer und sorgten für ein doch recht winterliches Ambiente
mit rund 1 bis 5 cm Neuschnee.

Noch kurioser allerdings wurde es weiter im Landesinneren, wie dem
westlichen und südlichen Niedersachsen. Dieser Bereich wurde in
Abbildung b) hervorgehoben. Sehr schön sind einzelne scharf begrenzte
Schneeschauerstraßen mit strichweise etwas Neuschnee zu erkennen.
Dabei wurde die von der Ostsee ins Landesinnere geführte Feuchte u.a.
regional durch die Orografie angehoben und zur Bildung kleinräumiger
Schauer animiert, die ihre Schneelast wie Pinselstriche auf einem
Gemälde über Niedersachsen verteilten. Ein eindrückliches Zeugnis
dafür, wie ungerecht Mutter Natur in den Augen von Schneeliebhabern
die ersehnte Last verteilen kann, aber auch eine Mahnung an alle
Verkehrsteilnehmer, wie schnell sich binnen kürzester Zeit die
Straßenverhältnisse wetterbedingt ändern können.

Nur wenige Tage vor dem kalendarischen Frühlingsanfang stellt sich
nun erneut eine Wetterlage ein, die die Bildung von Schauerstraßen
über der mittlerweile auch etwas kälteren Ostsee begünstigt. Zwar
sorgt, verglichen mit Ende Februar, etwas "wärmere" Luft in rund 3
bis 5 km Höhe für weniger hochreichende Schauerbewölkung, dennoch
werden entlang der Ostsee zugewandte Küstenstreifen auch dieses
Wochenende wieder strichweise kräftige Schneefälle und stürmischen
Ostwind erwarten dürfen. Von Frühling also noch keine Spur.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.03.2018

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