Thema des Tages

21-03-2018 09:50

Wirrwarr

In den letzten Tagen ging es hier im Thema des Tages immer wieder um
den Winter ? genauer gesagt um das winterliche Wetter, von dem der
eine oder andere im wahrsten Sinne des Wortes "erwischt? worden ist.
Leider ist in den kommenden Tagen keine durchgreifende Wetteränderung
hin zu frühlingshaften Temperaturen in Sicht. Wer also in den
Vorhersagen Wärme sucht, muss sich schon in den Bereich der
mittelfristigen Vorhersagen begeben, also in den Bereich der nächsten
4 bis 10 Tage. Oder sogar etwas darüber hinaus.

In diesen Vorhersagesphären (und nicht nur da) sind heute sogenannte
Ensemblemodelle oftmals das Mittel der Wahl. Dabei wird ein
Vorhersagemodell mehrfach mit verschiedenen Anfangsbedingungen
gerechnet. Allerdings sind deren Ergebnisse mitunter nicht einfach zu
erfassen. Mehr noch: Auf den ersten Blick wirken die Darstellungen
der Modellergebnisse oft wie ein Tohuwabohu an Informationen, das
erst einmal entwirrt werden muss.

Dazu picken wir uns heute aus dem (großen) Zoo der Modellergebnisse
eine - gerne auch als "Rauchfahne" bezeichnete - Darstellung der
Temperaturen in 850 hPa heraus, was etwa einer Höhe von 1500 Meter
entspricht. Das zugrunde liegende Vorhersagemodell (GFS) stammt in
diesem Fall von den Kollegen des US-Wetterdienstes und als
Referenzort dient uns die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt
Mainz. Erwähnt sei auch noch, dass die grafischen Darstellungen von
der Homepage der Kollegen der "Wetterzentrale" stammen.

Die übliche Darstellung ist dabei die in der Grafik oben links
gezeigte. Eine Vielzahl von Linien zappelt herum wie der Zeiger eines
Seismographen bei einem Erdbeben. Zum Entwirren dieses Sammelsuriums
muss man die wesentlichen Informationen herausarbeiten. Und diese
sind in der Grafik unten links dargestellt. Es handelt sich um vier
Kurven: die des langfristigen Mittelwerts der Temperatur (rot), den
sogenannten Haupt- und Kontrolllauf (grün bzw. blau) sowie das
Ensemblemittel (dunkelblau/schwarz) - sozusagen die "Fantastischen 4"
der Ensembleprognose.

Der langfristige Mittelwert dient dabei als Klimareferenz für die
Ensemblevorhersagen. Dass dieser im aktuellen Fall höher liegt als
die anderen Kurven, verheißt nichts Gutes. Schließlich bedeutet dies
im Umkehrschluss, dass die aktuellen Prognosen bezüglich der
Temperatur unter dem vieljährigen Mittel liegen. Mit anderen Worten:
Es bleibt wahrscheinlich weiterhin kalt.

Die grüne und blaue Kurve, der Haupt- und Kontrolllauf, sind die
zweieiigen Zwillinge der Ensembleprognose. Warum? Weil man bei
Ensembleprognosen in einem Dilemma steckt. Einerseits kann und möchte
man mit einer sehr hohen Modellauflösung möglichst präzise
Vorhersagen erreichen. Andererseits dauert dies selbst bei sehr hohen
Rechnerleistungen sehr lange. Würde man auf diese Weise ein ganzes
Modellensemble berechnen, würde man auf die Ergebnisse tagelang
warten müssen. Die Lösung? Die Ensembles werden auf einem gröberen
Gitter gerechnet als der sogenannte Hauptlauf, das spart Zeit! Und zu
Zwillingen werden der Haupt- und Kontrolllauf dadurch, dass sie mit
den gleichen Anfangsbedingungen "gefüttert" werden. Dabei wünscht man
sich natürlich, dass die Ergebnisse von Haupt- und Kontrolllauf
möglichst ähnlich sind. Dass dies nicht zwingend der Fall ist, sieht
man in der unteren Grafik.

Die übrigen Modellläufe eines Ensembles werden im Gegensatz zum
Kontrolllauf mit leicht variierenden Anfangsbedingungen gerechnet. So
bestimmt man verschiedene mögliche Zustände der Atmosphäre in der
Zukunft. Diese kann man alle einzeln darstellen, wie oben in der
Grafik zu sehen. Oder man fasst sie zusammen und bildet den
Mittelwert. Und exakt dies ist die vierte Kurve im unteren Teil der
Grafik.

Das Schöne an Ensemblevorhersagen ist auch, dass sie Hoffnung geben
können. Wer sich nach frühlingshaften Temperaturen sehnt, der pickt
sich aus den Ensembles einfach den rot markierten Lauf im oberen Teil
der Grafik heraus. Dieser erreicht am 1. April in 850 hPa
Temperaturen von 13 Grad, was am Boden schon deutlich mehr als 20
Grad bedeuten würde - ein vorgezogener Aprilscherz?

Da das Wirrwarr der Rauchfahnen entfernt auch an ein Kinderrätsel
erinnert, gibt es eine weitere Alternative. Wer dazu tendiert, sich
vom Wetter überraschen zu lassen und einfach zu warten, bis der
Frühling kommt, kann die Zeit bis dahin mit dem Lösen des
Kinderrätsels überbrücken.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.03.2018

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