Thema des Tages

25-03-2018 07:50

Warum fühlen sich Grippeviren im Spätwinter so wohl?


Nach Schätzungen der WHO erkranken jedes Jahr 10 bis 20 % der
Weltbevölkerung, auch in Deutschland sind es einige Millionen
Menschen. So sorgte auch die Grippewelle in diesem Winter für hohe
Krankenstände: Unter anderem kommt es derzeit am Frankfurter
Flughafen ausgerechnet zum Beginn der Osterferien in vielen
Bundesländern durch krankheitsbedingte Personalengpässe zu längeren
Wartezeiten bei den Sicherheitskontrollen.

Aber nicht immer läuft eine Grippe halbwegs glimpflich ab: Wenn eine
Grippewelle auftritt, dann geht die Zahl der tatsächlich auftretenden
Todesfälle über das zu Erwartende hinaus: Während der starken
Grippesaison 1995/96 starben nach Schätzungen des
Robert-Koch-Instituts knapp 25000 Menschen in Deutschland.

Mediziner bezeichnen die "echte Grippe" oder "Virusgrippe" als
"Influenza". Diese Bezeichnung kommt aus dem Italienischen und
bedeutet "Einfluss". Sie leitete sich zunächst von der bis ins
Mittelalter hinein präsenten medizinisch-astrologischen Vorstellung
ab, dass alle Krankheiten durch bestimmte Planetenstellungen (coeli
influencia) beeinflusst sein. Später verwendete man den Namen nur
noch im Zusammenhang mit der echten Grippe, ab dem 18. Jahrhundert
sprach man vom "Einfluss der Kälte" (influenza di freddo), da die
Krankheit in der Regel in der kalten Jahreszeit auftrat.

Doch allein eine niedrige Temperatur ist nicht ausschlaggebend für
das gehäufte Auftreten von Grippeerkrankungen im Winter. Schon seit
längerer Zeit wurde ein Zusammenhang zwischen der Ausbreitung von
Grippeviren und der Luftfeuchtigkeit vermutet. So wurden in früheren
Arbeiten unterschiedliche Kombinationen aus Lufttemperatur, relativer
Luftfeuchte einerseits sowie der Übertragbarkeit und Lebensdauer von
Grippeviren andererseits untersucht. Die relative Luftfeuchte konnte
aber keine eindeutige Erklärung geben.

Die relative Luftfeuchte ist selbst von der Temperatur abhängig. Bei
einer relativen Luftfeuchtigkeit von 100 % ist die Luft mit
Wasserdampf gesättigt. Wärmere Luft kann deutlich mehr Wasserdampf
aufnehmen als kältere. Daher ist die Luft bei einer Temperatur von 0
°C bereits bei einem absoluten Gehalt von 4,8 Gramm Wasserdampf pro
Kubikmeter Luft gesättigt. Bei 30 °C kann die Luft mit 30,3 Gramm
hingegen mehr als die sechsfache Menge an Wasserdampf pro Kubikmeter
aufnehmen. Aufgrund der niedrigen Temperaturen ist die absolute
Luftfeuchtigkeit im Winter also deutlich geringer als im Sommer. Das
gilt auch in Innenräumen, da diese ja nicht völlig von der Außenluft
abgekoppelt sind.

Grippeviren fühlen sich bei niedrigen Temperaturen und in trockener
Luft außerhalb der menschlichen Atemschleimhaut wohler, überleben
entsprechend länger und breiten sich besser aus. Der amerikanische
Wissenschaftler Jeffrey Shaman untersuchte in einer 2003
veröffentlichten Arbeit (für interessierte Leser: "Absolute humidity
modulates influenza survival, transmission, and seasonality") die
Daten aus früheren Veröffentlichungen erneut, diesmal auf den
Zusammenhang mit der absoluten Luftfeuchte - und siehe da: Ein
Zusammenhang trat deutlich hervor.

Weitere Erklärungsversuche zielen darauf ab, dass die Schleimhaut der
oberen Atemwege bei trockener Luft anfälliger für eine Infektion und
das Immunsystem im Winter weniger schlagkräftig ist. Eine mögliche
Erklärung könnte auch sein, dass man sich im Winter oft längere Zeit
zusammen mit anderen Menschen in weniger belüfteten Räumen aufhält.

Die diesjährige Grippewelle erreichte ihren Höhepunkt in der achten
Kalenderwoche und klingt seitdem allmählich ab. Auf der Seite des
Robert-Koch-Instituts (https://influenza.rki.de/MapArchive.aspx)
können Sie sich den zeitlichen Verlauf der Aktivität akuter
Atemwegserkrankungen ansehen. Die aktuelle Karte (von der elften,
also letzten Kalenderwoche) finden Sie unter dem Thema des Tages.

Aber wie kann man sich gegen die Grippe schützen? Da Influenzaviren
sehr wandlungsfähig sind, finden jedes Jahr im Herbst Impfaktionen
statt. Die Grippeimpfung gilt beim Menschen als wirksamste
vorbeugende Maßnahme gegen eine Ansteckung. Auch die Beachtung der
allgemeinen Grundregeln der Hygiene und ein umsichtiges Verhalten
helfen, die Ausbreitung der Viren einzudämmen.

M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.03.2018

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst