Thema des Tages

17-05-2018 10:20

Tornados - eine Schneise der Verwüstung

Korrigierte Passage:
Namensergänzung


Am gestrigen Mittwochabend hinterließ ein Tornado im Raum Viersen am
Niederrhein eine Schneise der Verwüstung. Medienberichten zufolge
sind dabei auch zwei Menschen verletzt worden, einer davon schwer.

Tornados kommen in den allermeisten Fällen im Zusammenhang mit
speziellen Gewittern, den Superzellen, vor (sogenannte
Typ-I-Tornados). Kennzeichen einer Superzelle ist, dass sich die
Gewitterwolken um ihre eigene (vertikale) Achse drehen bzw. rotieren.


Gewitter selber entstehen, wenn feuchtwarme Luft in tiefen
Luftschichten, möglichst kalte Luft in höheren Luftschichten und ein
Antrieb zum Aufsteigen der Luft vom Boden ausgehend vorhanden sind.
Einen solchen Antrieb könnte beispielsweise die Sonneneinstrahlung
liefern, die die bodennahe Luft erwärmt. Diese beginnt dann
aufzusteigen, da durch die Erwärmung die Dichte abnimmt, sie also
leichter ist als ihre Umgebungsluft und damit Auftrieb erhält.
Irgendwann bilden sich beim weiteren Aufsteigen der Luft durch
Kondensation Wolken, die zu mächtigen Gewittertürmen heranwachsen,
wenn die Bedingungen günstig sind. Neben der Sonneneinstrahlung kann
auch erzwungenes Aufsteigen der Luft an Gebirgen oder an
Luftmassengrenzen (Fronten) die Gewitterbildung begünstigen.

Damit aus dem Gewitter nun eine rotierende Superzelle wird, muss noch
eine weitere Zutat hinzukommen. So sollte mindestens bis etwa in 5
oder 6 km Höhe vertikale Windscherung vorhanden sein, d.h. der Wind
sollte mit der Höhe zunehmen und/oder seine Richtung ändern. Das
versetzt die Gewitterwolke in eine Drehbewegung. Für die Ausbildung
eines Tornado sollte zudem auch die Wolkenbasis, also die
Wolkenunterkante, niedrig sein.

Durch aufsteigende Luft in der Superzelle wird die Drehbewegung in
der Wolke durch den Pirouetten-Effekt immer schneller und irgendwann
kann sich an der Unterseite ein rotierender Wolkenschlauch bilden.
Dieser Schlauch, im Meteorologen-Jargon auch "Rüssel" genannt, wird
in den meisten Fällen durch kondensierten Wasserdampf sichtbar. Er
wächst bei entsprechenden Voraussetzungen immer weiter nach unten,
bis er den Boden berührt. Erst bei Bodenkontakt wird er als Tornado
bezeichnet, andernfalls als "Funnel" oder "Funnel Cloud".

Höchstens 10% aller Superzellen erzeugen einen Tornado. Tornados sind
jedoch auch ohne Superzellen bzw. Gewitter möglich (Typ-II-Tornados).
Ist der Auftrieb in den untersten Schichten hoch, beispielsweise an
Konvergenzlinien, können sie auch unterhalb von normalen Schauer-
oder Gewitterwolken vorkommen. Allerdings sind sie dann meist
schwächer.

Zur Einordnung der Stärke eines Tornados wird die sogenannte
Fujita-Skala herangezogen, die 13 Stufen von F0 bis F12 umfasst und
sich an der Windgeschwindigkeit und den Schäden orientiert. Bisher
traten weltweit maximal aber "nur" F5-Tornados auf (1% aller
Tornadofälle), die mit Windgeschwindigkeiten von über 500 km/h
allerdings mächtige Schäden hervorrufen.

In den Medien werden häufig noch andere Bezeichnungen für einen
Tornado verwendet. So ist eine "Windhose" nichts anderes als ein
Tornado über Land und eine "Wasserhose" ein Tornado über dem Wasser.
Darüber hinaus sind noch die Begriffe "Großtrombe" und "Twister" (aus
dem englischen Sprachraum) bekannt. "Staubteufel" oder "Kleintromben"
hingegen sind keine Tornados.

In Deutschland werden etwa 20 bis 60 Tornados im Jahr nachgewiesen.
Sie haben eine Ausdehnung von wenigen bis einigen hundert Metern und
überleben nur wenige Sekunden bis im günstigsten Fall etwas mehr als
eine Stunde. Ihre Zuggeschwindigkeit kann von fast stationär bis zu
50 km/h reichen, wobei die Spur meist linear mit nur kleinen
Abweichungen ist. Hauptzeit für Tornados ist das Frühjahr und der
Sommer.

Tornados der Stärke F5 sind dabei auch in Deutschland möglich (oder
vielleicht sogar schon vorgekommen). Hierzulande sind sie aber
seltener als z.B. in den USA, wo es vor allem im Frühjahr deutlich
bessere Voraussetzungen gibt (noch sehr kalte Luft aus dem Norden
kann ungehindert auf schon sehr warme Luft aus dem Süden treffen).

Aufgrund von Bild- und Videomaterial kann man beim gestrigen Ereignis
eindeutig von einem Tornado ausgehen. Welcher Stärke er zugeordnet
werden kann, müssen nun Untersuchungen zeigen. Die Messung der
Windgeschwindigkeit eines Tornados stellt dabei meist das größere
Problem dar.

Informationen zum Thema Tornados finden Sie auch in einem Erklärvideo
aus dem DWD TV-Studio, siehe Link unten bei den Leistungen zum Thema.



Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.05.2018

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