Thema des Tages

05-06-2018 07:50

Hydrologische Ungerechtigkeit

Was war das für eine denkwürdige Witterung in den vergangenen Wochen.
Fast täglich sorgten schwere Gewitter regional für horrende
Niederschlagsmengen. Teilweise fielen gleich mehrere Monatssummen an
Niederschlag binnen weniger Stunden. Die schlimmen Bilder von
regelrecht verwüsteten Ortschaften dürften den meisten noch gut in
Erinnerung sein. Es ist nur allzu verständlich, dass die
Aufmerksamkeit allseits diesen verheerenden Sturzfluten galt. Dabei
gerät allerdings schnell in Vergessenheit, dass es einige Regionen in
Deutschland gibt, die seit einer gefühlten Ewigkeit keinen
nennenswerten Regen mehr abbekommen haben.

Es ist geradezu typisch, dass von konvektiven, also schauerartigen
und gewittrigen Niederschlägen geprägte Wetterlagen zu einer maximal
ungleichmäßigen Verteilung der Niederschlagsmengen führen. Zum einen
sind Schauer und Gewitter per se eher kleinräumige Phänomene. Zum
anderen herrschten überwiegend geringe Luftdruckgegensätze und damit
schwache Winde in der Troposphäre, wodurch sich die Gewitter nicht
oder nur sehr langsam verlagerten. Sie regneten wortwörtlich an Ort
und Stelle ab, während es in den umliegenden Gebieten mitunter erst
mal trocken blieb. Der Umstand, dass sich Gewitter in ganz bestimmten
Regionen bevorzugt entwickeln wie z. B. über den Mittelgebirgen,
forciert diese "hydrologische Ungerechtigkeit" sogar noch.

Die Karte der über 30 Tage aus Radardaten aufsummierten
Niederschlagsmengen bis zum 31. Mai ist ein Paradebeispiel für einen
Zeitraum, der quasi ausschließlich von konvektiven Regenfällen
geprägt war (siehe Grafik auf
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/6/5.html). Extreme
Unterschiede auf kleinstem Raum finden man fast überall in
Deutschland. So gingen in Bruchweiler im Hunsrück im Mai
beispielsweise sagenhafte 288 l/qm nieder (das entspricht mehr als
der vierfachen Monatssumme), während im gerademal 60 km entfernten
Ingelheim in Rheinhessen nur 45 l/qm zusammen kamen. Ähnlich
ungleiche Verhältnisse zeigen sich zwischen Heimbach (140 l/qm) und
Jülich (25 l/qm) auf einer Distanz von lediglich gut 30 km östlich
von Aachen.

Neben diesen sehr kleinräumigen Diskrepanzen zeigt sich allerdings
auch ein gewisses überregionales Ungleichgewicht. Denn in erster
Näherung, gemittelt über eine größere Fläche, nimmt die
Niederschlagsneigung von Südwest nach Nordost ab. Dies ist eine
unmittelbare Folge der Großwetterlage, die dem Nordosten über längere
Phasen Hochdruckeinfluss, zumindest aber deutlich trockenere
Luftmassen, dem Südwesten dagegen fast durchweg Tiefdruckeinfluss und
feucht-warme Luftmassen bescherte. Während sich die
Baden-Württemberger im Mittel so über 89 l/qm - je nach persönlicher
Präferenz - freuen oder ärgern durften, reichte es in
Mecklenburg-Vorpommern nur zu 12,6 l/qm im Mai. In Wittenberg dürften
die 0,4 l/qm gar nur der sprichwörtliche "Tropfen auf den heißen
Stein" gewesen sein. Entsprechend unterschiedlich präsentiert sich
mittlerweile auch die Natur von "saftig-grün" bis "braun-verbrannt".

Wenn Sie also das Gefühl haben, dass es überall regnet, nur bei Ihnen
nicht, dann täuscht das nicht nur, Sie sind sogar in guter
Gesellschaft. Wirklich "fair" wird es hinsichtlich der "Beregnung" in
Deutschland übrigens auch in den kommenden Tagen nicht zugehen.
Einer überwiegend sonnigen und trockenen Nordosthälfte steht ab
Mittwoch eine Südwesthälfte gegenüber, die erneut von heftigen
lokalen(!) Starkregenereignissen gebeutelt werden wird. Mehr dazu
morgen...

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.06.2018

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