Thema des Tages

11-06-2018 08:20

Sturm im Sturmglas

Sturm im Sturmglas

Am heutigen Montag (11.06.) kann man beobachten, dass der
Gewitterlage über Deutschland allmählich die Puste ausgeht. Vor allem
in den Nordwesten ist schon verbreitet deutlich kühlere Luft
eingeflossen, so dass die Höchstwerte dort nur noch um 23 Grad liegen
werden. In der Südosthälfte sieht dies etwas anders aus. Dort ist
weiter feuchte und heiße Luft anzutreffen, womit die "Gewitterei"
anhält. Im äußersten Südosten steigen die Temperaturen sogar noch
einmal auf Werte um 30 Grad.

Damit stehen wir Meteorologen einmal mehr (wie schon seit Wochen) vor
einem Kommunikationsproblem. Wir können zwar aufgrund der
Eigenschaften einer Luftmasse sehr gut abschätzen, in welchen
Regionen sich Gewitter bilden werden. Und auch die
Begleiterscheinungen (heute z. B. heftiger Starkregen, Hagel, Sturm-
oder Orkanböen, kurz: der Charakter der Gewitter) lassen sich vorab
recht gut vorhersagen. Allerdings: Den genauen Ort der Gewitter
können wir - wenn überhaupt - nur recht kurzfristig vorhersagen.
Kann man mehr erwarten? Gute Frage. Aber es gab eine Zeit, in der
diesbezüglich große Hoffnungen gemacht wurden.

Es handelt sich um die erste Hälfte des 19ten Jahrhunderts, und der
Hoffnungsträger der Wettervorhersage hieß Robert FitzRoy (1805 -
1865). Dem Admiral der Britischen Marine, der als Kapitän des
Forschungsschiffs HMS Beagle mit Charles Darwin zu dessen legendärer
Forschungsreise aufbrach, wird die Erfindung des sogenannten
Sturmglases zugeschrieben.

Bei diesem Sturmglas handelt es sich um einen abgeschlossenen
Glaszylinder, in dem sich ein Gemisch aus Wasser, Campher,
Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid befindet. Dieses Gemisch hat die
Eigenschaft, dass sich in ihm zeitweise Kristalle unterschiedlicher
Form und Größe ausbilden, die sich später wieder auflösen, bevor das
Spiel von vorn beginnt. Die - zugegebenermaßen steile - These war nun
die, dass aus der Struktur, Größe und Verteilung dieser Kristalle
Rückschlüsse auf die zukünftige Wetterentwicklung gezogen werden
können. So dachte man beispielsweise, dass

- eine klare Flüssigkeit sonniges und klares Wetter,
- kleine, schwebende Flöckchen feuchtes und nebliges Wetter,
- Kristalle auf dem Boden Frost
und
- Kristalle an der Oberfläche Sturm

bedeuten. Letzterem hat das Sturmglas seinen Namen zu verdanken. Und
auch Gewitter sollte das Sturmglas vorhersagen können, nämlich wenn
das Glas sich leicht trübt und kleine Kristallsterne zu erkennen
sind.

Da wird der Meteorologe von heute blass vor Neid. Vollends die Tränen
in die Augen treibt ihm aber die Aussage, dass die Vorhersagen des
Sturmglases, und damit natürlich auch die Gewittervorhersagen, für
die nächsten 24 bis 36 Stunden gelten sollten.

Aber, Sie ahnen es, das Sturmglas konnte sich nicht durchsetzen. Böse
Zungen könnten behaupten, die psychoaktive Wirkung des Camphers,
insbesondere die Verwirrtheit bei Überdosierung, könnten dem Erfinder
des Sturmglases zugesetzt haben. Aber dies ist natürlich nicht
belegt.

Der Wirbel um das Sturmglas, das heute gerne noch als Deko
aufgestellt wird, hat sich also gelegt. Somit könnte man die
Aufregung um das "Messgerät", in Abwandlung eines bekannten
Sprichworts, als "Sturm im Sturmglas" bezeichnen.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.06.2018

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