Thema des Tages

20-06-2018 10:20

Sommerbeginn ? astronomisch, meteorologisch und phänologisch?

Korrigierte Passage:
Danach macht sich die Sonne von der Erde aus betrachtet wieder auf
den Weg in Richtung Äquator, welchen sie am 23. September um 03:54
Uhr (Herbstanfang) überschreitet. Die hellen Tage werden nun also
wieder kürzer und der Einfallwinkel der Sonne flacher.


Am morgigen Donnerstag, dem 21. Juni um 12:07 Uhr ist es wieder
soweit. Die Sonne erreicht auf der Nordhalbkugel ihren höchsten Stand
auf der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Damit wird der
astronomische Sommerbeginn bezeichnet.

Die Sonne steht zu diesem Zeitpunkt an ihrem nördlichsten Punkt. Den
damit erreichten Breitenkreis, der sich in etwa auf 23 Grad Nord
(23°26?16? N) befindet, nennt man auch "nördlicher Wendekreis". Bis
zu diesem Wendekreis bewegt sich die senkrechte Achse der Sonne
während der gesamten ersten Jahreshälfte täglich ein Stück weiter
nach Norden, was wir durch längere Tage und auch durch einen höheren
Sonnenstand am Himmel beobachten können. Auf diesem Wendekreis gibt
es genau einen Ort bzw. Punkt, wo die Sonne um 12:07 Uhr
mitteleuropäischer Sommerzeit bzw. an dem besagten Punkt um 12 Uhr
Ortszeit genau senkrecht über der Erde steht. Danach macht sich die
Sonne von der Erde aus betrachtet wieder auf den Weg in Richtung
Äquator, welchen sie am 23. September um 03:54 Uhr (Herbstanfang)
überschreitet. Die hellen Tage werden nun also wieder kürzer und der
Einfallwinkel der Sonne flacher.

Wir Meteorologen sind schon seit dem 1. Juni auf Sommer eingestellt.
Dies hat allerdings rein statistische Gründe. Für die Auswertung von
Wetter- oder Klimadaten und die Erstellung von Statistiken ist es,
insbesondere im Computerzeitalter, einfacher, volle Monate zu
betrachten. Daher wurden die Monate Juni, Juli und August aus
wissenschaftlicher Sicht für die Meteorologie als Sommer definiert.

Der phänologische Sommerbeginn richtet sich entgegen nach der Flora
in der Natur und deren Entwicklungsstand. Das ?phänologische Jahr?
wird grundsätzlich in 10 physiologisch-biologisch begründete
?phänologische Jahreszeiten? eingeteilt, gekennzeichnet durch
spezielle phänologische Indikatoren (Leitphasen). Der Sommer wird
dabei nochmals in Frühsommer, Hochsommer und Spätsommer
untergliedert. Mit dem Blühbeginn der Gräser setzt der Frühsommer
ein. Auf den Wiesen blüht zuerst der Wiesenfuchsschwanz und auf den
Getreidefeldern der Winterroggen. Blühen die Sommerlinden und die
Kartoffeln, dann kommt der Hochsommer.

Mit dem Wissen der verschiedenen Definitionen stellt sich nun die
Frage, warum der Sommer nicht genau um den Sonnenhöchststand (21.06.)
herum definiert ist, an dem die Sonne den größten Energieeintrag auf
die Nordhalbkugel abstrahlt. In diesem Sinne müssten die Monate Mai,
Juni und Juli den Sommer bilden!?!

Wie oben beschrieben, umfasst der Sommer aus astronomischer Sicht
allerdings denjenigen Zeitraum, in dem sich die Sonne vom nördlichen
Wendepunkt zum Äquator zurückbewegt. Bei den Meteorologen wird auch
nur ein kleiner Zeitraum vor Sonnenhöchststand dem Sommer
zugesprochen. Die Pflanzenwelt ist komplett von meteorologischen
Parametern wie Niederschlag, Temperatur und Sonnenstrahlung abhängig
und kann in dieser Diskussion nicht berücksichtigt werden.

Für eine genauere Betrachtung muss man zusätzlich zur
Sonneneinstrahlung auch die Speicherung und den Transport von
Wärmeenergie betrachten. Die Atmosphäre und erst recht die Ozeane
sind grundsätzlich träge Medien, bei denen alle thermodynamischen
Vorgänge etwas langsamer ablaufen. Ab Frühlingsbeginn, wenn sich die
senkrechte Achse der Sonne über den Äquator hinweg nach Norden
bewegt, erwärmen sich die Ozeane und Landflächen auf der
Nordhalbkugel indem sie die einstrahlende Sonnenenergie aufnehmen
bzw. speichern. Da in nördlichen Breiten (>60°N) durch die Kugelform
der Erde der Energieeintrag trotz höherem Sonnenstandes sehr gering
bleibt, muss Wärme von Süden nach Norden transportiert werden. Dies
übernehmen bis ca. 30° N hauptsächlich die Ozeane und deren
Strömungen (z. B. Golfstrom). Nördlich von 30° N sind unsere
wohlbekannten Tiefdruckgebiete für den Wärmetransport größtenteils
verantwortlich. Bis also die maximale Energie bzw. Wärmemenge in den
mittleren bzw. nördlichen Breiten erreicht wird, vergeht etwas Zeit.
Aus diesem Grund treten im Normalfall die maximal möglichen
Temperaturen für die mittleren und nördlichen Breiten, vom
Sommeranfang zeitlich nach hinten verschoben, in den typischen
Hochsommermonaten Juli und August auf.

Aufgrund günstiger Wetterlagen kam in diesem Jahr bereits im Frühling
an vielen Tagen ein "Sommerfeeling" auf. Strömungen aus südlichen
Gefilden führten schon seit Mitte Mai wiederholt warme bis sehr warme
Luft nach Deutschland, die sich hierzulande durch die
Sonneneinstrahlung, der nahe am Zenit stehenden Sonne weiter
aufheizen konnte. Dies sorgte schließlich dafür, dass zum morgigen
Sommeranfang nach Definition verbreitet schon mehr als 30 Sommertage
mit Höchstwerten über 25 Grad in Deutschland registriert wurden.

Auch am heutigen Mittwoch stehen die Zeichen durch Hoch "Christof",
einem Azorenkeil, der sich von Westeuropa bis in die Ukraine
erstreckt und mit Christof über Polen und Tschechien sein Zentrum
hat, noch voll auf Hochsommer. Dabei wird mit einer südwestlichen, im
Süden teils auch östlichen Strömung, weiter Warmluft ins Land
geführt. Diese heizt sich durch die hoch am Himmel stehende Sonne
richtig auf, sodass im Südwesten Deutschlands Höchstwerte bis 32 Grad
zu erwarten sind. Lediglich der äußerste Norden, rund um die
Küstenabschnitte, bleibt weiter benachteiligt und bekommt von diesem
Hochsommerfeeling kaum etwas ab. Bei durchziehenden Wolkenfeldern und
auffrischendem Wind klettern die Temperaturen dort nur auf Maxima
zwischen 20 und 25 Grad auf.

Doch bald heißt heißt es "auf Hochmut folgt der tiefe Fall"!

Eine große Wetterumstellung bringt Schwung in die Atmosphäre. Wie
schon im gestrigen Thema des Tages beschrieben, folgt auf den "One
Day Summer" mit teils heißen Temperaturen über 30 Grad, nach einem
Temperatursturz um 10 bis 15 Grad vorübergehend ein eher herbstlicher
Witterungsabschnitt!

Bereits am morgigen Donnerstag sowie in der Nacht auf Freitag macht
sich Tief "Cathy" mit Kern über dem südlichen Skandinavien und
Dänemark bemerkbar. Im Zusammenspiel mit dem Hoch "Daryl", das
langsam den Schwerpunkt zu den Britischen Inseln verlagert, wird Luft
polaren Ursprungs angesaugt und mit einer auf Nordwest drehenden
Strömung über die Nordsee hinweg nach Deutschland transportiert.

Folgt also auf den Hochsommer im Frühling der Herbst im Sommer?

Diese Frage kann auf jeden Fall mit "Nein" beantwortet werden! Denn
bei den herbstlichen Wetterbedingungen mit Regenschauern und
Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad handelt es sich nur um ein
vorübergehendes Intermezzo. Schon zur neuen Woche begeben sich die
Temperaturen wieder auf Klettertour. Nach derzeitigem Stand soll sich
erneut eine recht stabile Hochdruckwetterlage mit viel Sonnenschein
einstellen. Dann steht Hoch "Daryl" im Mittelpunkt, das zwar
demnächst für die herbstlichen Verhältnisse mitverantwortlich ist, ab
Montag dann aber zunehmend wieder den Sommer bringt. Unsicher ist
noch, ob wir "nur" mit sommerlichen Höchstwerten zwischen 23 und 28
Grad rechnen müssen oder ob die Sommerhitze mit Werten über 30 Grad
ein Revival startet. Abhängig ist das jeweilige Szenario von der
tatsächlichen Lage von "Daryl". Bleibt er mit seinem Zentrum westlich
von Deutschland liegen, bringt er zwar Sonne pur, jedoch schafft es
die starke, im Zenit stehende Junisonne nicht, die dann weiterhin
einfließende Nordseeluft in den Bereich der 30-Grad-Marke zu heben.
Sollte "Daryl" jedoch etwas weiter nach Osten wandern und schließlich
z.B. mit seinem Zentrum über Deutschland ankern, könnte aus Süden auf
seiner Westflanke zusätzlich wärmere Luft einfließen, sodass die
Sonne die Maxima tatsächlich wieder in das "heiße Temperaturniveau"
mit Werten über 30 Grad ansteigen lässt. Warten wir es also ab.

Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die aktuellen
Computerberechnungen der vielfach ausgetrockneten und daher nach
Wasser lechzenden Natur in Teilen Nord- und Ostdeutschlands leider
nur wenig, ab Montag wahrscheinlich überhaupt keinen Regen mehr
versprechen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.06.2018

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