Thema des Tages

04-06-2016 14:40

Tief Mitteleuropa - Chronik einer Unwetterlage


Schon seit über einer Woche beschäftigt uns eine ungewöhnlich lang
andauernde Unwetterlage. Tief Mitteleuropa nennt sich die
Großwetterlage, die die schweren Unwetter und Überflutungen der
vergangenen Tage verursacht hat. Im Folgenden sei eine kurze Chronik
des Verlaufs der Unwetterlage angeführt. Sie erhebt keinen Anspruch
auf Vollständigkeit.

27.05.
Am Freitag befand sich das Tiefdruckgebiet noch über Westfrankreich,
führt aber bereits schwülwarme Mittelmeerluft nach Deutschland. Erste
Schauer bildeten sich am Vormittag über der Eifel. Diese brachten
einen Tornado bei Raffelsbrand hervor. Es gab jedoch keine Schäden an
Gebäuden.

Am Nachmittag entwickelte sich über dem Norden von Rheinland-Pfalz
eine sogenannte Superzelle, eine besonders kräftiges rotierendes
Gewitter, das bis ins Rhein-Main-Gebiet zog. Auf seiner Zugbahn
hinterließ das Gewitter überflutete Straßen und vollgelaufene Keller.
Durch einen Erdrutsch auf eine Bahnstrecke an der Mosel entgleiste
ein Zug. Gegen Abend traf die Superzelle auf Wiesbaden, wodurch es zu
Überflutungen und Hagel kam. In Hofheim am Taunus lag der Hagel
teilweise 30 cm hoch. Weitere Unwetter gab es in Baden-Württemberg
und Köln.

28.05.
Am Samstag weitete sich die Tiefdruckzone über die Mitte und den
Süden Deutschlands aus. Dort gab es wieder heftige Gewitter, die für
Überflutungen in Kaiserslautern, bei Regensburg, in der Eifel und
örtlich auch im Saarland brachten.

Im Süden von Rheinland-Pfalz wurden 35 Menschen während eines
Fußballspiel durch einen Blitzschlag verletzt.

29.05.
Am Sonntag zog das Tiefzentrum in den Südwesten Deutschlands und
setzte sich dort fest. Ein weiterer Schwall feuchter Luft wurde von
Südosten herangeführt. Die Gewitterlage erreichte an diesem Tag einen
ersten Höhepunkt.

Zunächst bildeten sich nur einzelne aber sehr heftige Hagelgewitter.
So zum Beispiel am Mittag bei Eibenstock im Erzgebirge. Dort gab es
eine Hageldecke von 30 bis 50 cm Höhe sowie mehr als 80 mm
Niederschlag in kurzer Zeit, was zu Überflutungen führte. Weitere
Hagelunwetter trafen die Region um Ulm und dem Thüringer Wald.

Am Nachmittag und Abend bildete sich über Süddeutschland ein größerer
Gewitterkomplex. Ein sogenanntes "Mesoskaliges konvektives System",
das nachts nordwestwärts nach Westdeutschland zog. Durch die nur
langsame Verlagerung kam es zu teils extremen Niederschlägen mit
Stundensummen um 50 mm. Gebietsweise fiel mehr als das übliche
Monatsmittel innerhalb von wenigen Stunden (lokal ~ 120 mm).
Zahlreiche Überflutungen waren die Folge. Besonders dramatisch war
die Lage in Schwäbisch Gmünd und Braunsbach und bei Schwäbisch Hall
in Baden-Württemberg, wo sich der Dorfbach in einen reißenden Fluss
verwandelte und die Orte verwüstete.

30.05.
Nach Abzug der Gewitter im Süden wurde die schwülwarme Luft nach
Norden verdrängt und durch kühlere Atlantikluft ersetzt. Dies führte
zu einer vorläufigen Beruhigung der Wetterlage in Süddeutschland.

Anders sah die Situation im Norden aus. Dort bildete sich in der
schwülwarmen Luft von Mittelbrandenburg bis zur Altmark eine
Gewitterlinie, die unter Intensivierung nach Nordwesten zog. Später
breiteten sich die Gewitter über Niedersachsen bis in die Niederlande
aus. Da keine dicht besiedelten Gegenden betroffen wurden, blieben
diesmal größere Schäden zumeist aus.

31.05.
Weitere lokale Unwetter im Norden und Osten richteten zumeist
vergleichsweise geringe Schäden an.

1.06.
Der Mittwoch brachte den 2. Höhepunkt der Unwetterlage. In
Niederbayern entwickelte sich aus der Nacht heraus eine
Gewitterlinie, die sich kaum verlagerte und extreme Niederschläge im
Grenzbereich zu Österreich brachte. In Region fielen weit über 100 mm
Niederschlag. Dies führte zu einer Flutwelle, die durch Simbach
rollte und katastrophale Schäden anrichtete. Die Flut forderte 7
Todesopfer.

Weitere Unwetter gab es im Westen und Osten. Leipzig wurden von einem
Gewitter getroffen, wobei Straßen überflutet wurden. In Düsseldorf
gab es mehrere vollgelaufene Tunnel. Durch mehrere schwere Gewitter
bei Xanten, wurde die Altstadt überflutet und ein Zug blieb im
Schlamm stecken. Dort fielen etwa 90 mm in 8 Stunden. An der Issel
bedrohte ein Dammbruch den Ort Hamminkeln.

Gewitter mit Starkregen sorgten ebenfalls für ein Rekordhochwasser an
der Ahr im nördlichen Rheinland-Pfalz.

Kurzzeitige Überflutungen wurden ebenfalls aus Wernigerode im Harz
gemeldet.
Bei Velbert in NRW richtet ein Tornado am Abend nur leichte Schäden
an.

2.06.
Gab es weitere kräftige Gewitter im Nordwesten. Besonders betroffen
war aufgrund der Entwicklung am Vortag der Niederrhein. Im Landkreis
Wesel wurde aufgrund der kritischen Lage an den Dämmen der Issel
Katastrophenalarm ausgerufen.

In Hamm stürzten während eines Gewitters Bäume auf Dächer.

Ein weiterer Tornado wurde bei Mitterteich in der Oberpfalz
gesichtet.

3.06.
Auch an diesem Tag konzentrierten sich schwere Gewitter auf das
südliche Nordrhein-Westfalen und nördliche Rheinland-Pfalz. Rock am
Ring bei Koblenz wurde von einem kräftigen Gewitter getroffen. Es gab
heftigen Starkregen und mehrere Verletzte bei einem Blitzschlag.

Ein 2. Gewitterherd bildete sich im Alpenvorland. Dort fielen am
Hohenpeißenberg 61 mm Niederschlag.

4.06.
Auch heute muss wieder mit schweren Gewittern in der Südwesthälfte
gerechnet werden. Laut den aktuellen Modellläufen liegt der
Schwerpunkt wahrscheinlich wieder vom südlichen Nordrhein-Westfalen
und Rheinland-Pfalz bis zum östlichen Alpenrand. Im Nordosten sickert
allmählich trockenere Luft ein. Dort ist nur mit einzelnen Gewittern
zu rechnen.

5.06.
Am Sonntag kann es in der Südwesthälfte wieder unwetterartige
Gewitter geben.

Beginn der neuen Woche:
Die stabilisierende trockene Luft dringt weiter nach Südwesten vor,
sodass die gewitterträchtigen Luftmassen in den äußersten Süden und
Westen verdrängt werden. Das Unwettertief löst sich allmählich auf
und es macht sich zunehmender Hochdruckeinfluss bemerkbar.

Einen ausführlichen Bericht und eine klimatologische Einschätzung
finden Sie im DWD-Pressebericht zum Thema unter:
http://bit.ly/24ogfoM


Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.06.2016