Thema des Tages

08-08-2018 08:50

Mentale Abkühlung bereits am heutigen Mittwoch

Seit April liegt die Temperatur im Monatsmittel deutlich über dem
langjährigen klimatologischen Mittel des Zeitraums 1961 bis 1990. Am
gestrigen Dienstag, dem 07.08., stieg die Temperatur sogar auf Werte
bis zu 38,3 Grad Celsius (Flughafen Köln-Bonn, NRW) und auch heute
werden im Osten nochmals Temperaturen bis 38 Grad erwartet. Dabei
sind die eisigen Temperaturen, die Deutschland noch im März diesen
Jahres wochenlang fest im Griff hatten, schon längst in Vergessenheit
geraten.

Bei der Hitze verschafft der Blick auf gegenteilige Extreme zumindest
mental vielleicht etwas "Abkühlung". Denn nicht nur im Sommer werden
Rekorde aufgestellt. Auch im Winter kann die Temperatur
rekordverdächtig ausfallen, nur eben in die andere Richtung auf dem
Thermometer. So registrierte die Station in Wolnzach-Hüll (Bayern) am
12. Februar 1929 eine Temperatur von -37,8 Grad Celsius und hält
damit den bis heute ungeschlagenen Rekord der niedrigsten, jemals
offiziell im DWD-Messnetz gemessenen Temperatur in Deutschland. Auf
der Zugspitze sank die Temperatur dagegen im Februar 1940 "nur" auf
-35,6 Grad als minimalster Wert der dort installierten Wetterstation
ab.

Die kältesten Orte auf der Nordhalbkugel liegen in Ostsibirien.
Sowohl in Oimjakon (Februar 1933) als auch in Werchojansk (Februar
1892) wurden jeweils -67,8 Grad Celsius registriert. Diese sind zudem
die kältesten bewohnten Orte der Erde.

Die weltweit niedrigste gemessene Temperatur wurde - wie könnte es
auch anders sein - im "Eisschrank" der Erde gemessen, der Antarktis.
Am 21. Juli 1983 zeigte das Thermometer auf 2 Meter Höhe über dem Eis
der russischen Forschungsstation Wostok (Antarktika) -89,2 Grad
Celsius an. Allerdings sorgten moderne Messmethoden mithilfe neuster
Satellitentechnologie erst vor Kurzem für Aufsehen. Im Juni
veröffentlichten Forscher des "National Snow and Ice Data Center" der
Universität von Colorado in Boulder (USA) einen Artikel über den
kältesten Ort der Erde im "Geophysical Research Letters", einem
renommierten Wissenschaftsjournal. Dieser befindet sich auf einem
Hochplateau im Osten der Antarktis in einer Höhe zwischen 3850 und
4050 Metern. Auf diesem dicken Eispanzer verzeichneten die Forscher
bei Messungen in den Wintern von 2004 bis 2016 sogar gleich ungefähr
100 Orte mit der unvorstellbaren Temperatur von etwa -98 Grad, was
einen neuen weltweiten Kälterekord darstellt. Genauer gesagt handelt
es sich bei den Orten um schmale Täler oder Senken. Da kalte Luft
schwerer wiegt als warme, sammelt sich dort die kälteste Luft an.

Für die Messung wurde das Satelliteninstrument MODIS
(MODerate-Resolution Imaging Spectroradiometer, also ein Instrument
zur Messung elektromagnetischer Strahlung) der NASA-Satelliten "Aqua"
und "Terra" sowie verschiedene Satelliten der NOAA (Nationale Ozean-
und Atmosphärenbehörde der USA) verwendet. Allerdings messen
Satelliten die Temperatur nur direkt auf der Oberfläche. Aus dem
Vergleich mit Stationsmessungen an der Station in Wostok sowie drei
weiteren automatischen Wetterstationen ergibt sich daraus eine
Lufttemperatur in 2 Meter Höhe über dem Erdboden von etwa -94 Grad
Celsius, was immer noch einem Kälterekord entspricht. Die
Rekordtemperatur ist von aktuellen deutschen Verhältnissen also
wesentlich weiter entfernt als gefrorenes Wasser vom Kochen. Wenn das
mal nicht für mentale Abkühlung sorgt!

Im Rahmen ihrer Forschung erkannten die Forscher, dass die nötigen
Rahmenbedingungen, um solch niedrige Temperaturen zu erreichen, neben
einem klaren Himmel und einer leichten Brise auch eine extrem
trockene Luft beinhalten. Denn ist die Luft sehr trocken, kann die
Schneedecke effektiver Wärme ins All abstrahlen, wodurch die
Auskühlung des Bodens und somit auch der bodennahen Luft stärker
ausfällt. Ein hoher Gehalt an Wasserdampf würde den Wärmeverlust der
Schneedecke hingegen abschwächen, wodurch die Temperatur nicht ganz
so stark absinken könnte.

Dass die gemessene Temperatur von -98 Grad noch tiefer abfällt, ist
laut der Forscher jedoch sehr unwahrscheinlich. Um diese überhaupt
erst zu erreichen, müssen die idealen Bedingungen wie ein klarer
Himmel und eine extrem trockene Luft über mehrere Tage anhalten.
Tiefere Temperaturen könnten also nur auftreten, wenn diese
Bedingungen über Wochen vorherrschen.

Nach diesem Exkurs zu den kältesten Orten auf der Erde können wir uns
nun auch in Deutschland nicht nur mental auf eine Abkühlung freuen.
Am Donnerstag fließt auf der Rückseite einer Kaltfront bereits
kühlere Meeresluft in den Westen Deutschlands ein. Am Freitag spüren
wir die "frische" Luft dann überall im Land. Allerdings wird der
damit verbundene Luftmassenwechsel nicht allzu ruhig über die Bühne
gehen. Im Vorfeld der Kaltfront sind teils kräftige Gewitter zu
erwarten, die aufgrund von heftigem Starkregen und Hagel aber vor
allem auch wegen Böen punktuell bis in den Orkanbereich auch häufiger
unwetterartig ausfallen können.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.08.2018

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