Thema des Tages

21-08-2018 08:20

Aeolus - Ein Satellit soll die Wettervorhersage verbessern

Am heutigen 21. August 2018 um 21:20:09 GMT war in Kourou/Franz.
Guyana der Start des neuen Satelliten ?Aeolus? der ESA (European
Space Agency mit Sitz in Darmstadt) geplant. Doch die Zeitenwende
durch die neuartigen Windmessungen muss warten! Denn Aeolus - dem
Satelliten für eine bessere Wettermodellierung - wurde gerade
aufgrund der dort bestehenden Wetterbedingungen vorübergehend die
Starterlaubnis entzogen. Ein neuer Anlauf soll am Mittwoch (22.
August) um 23.20 Uhr MESZ erfolgen. Die Aufgabe von Aeolus nach
Erreichen seiner Umlaufbahn ist es, im Rahmen der Earth Explorer
Missions hochpräzise Luftströmungen zu messen (vgl. Abb. 1).

Aufgrund seiner Mission ist der ESA-Satellit nach dem griechischen
Gott der Winde (altgriechisch ??????, lateinisch Aeolus) benannt. Er
hat dabei als erster Satellit überhaupt als Nutzlast ein
Doppler-Lidar (Light detection and ranging), genannt ALADIN
(Atmospheric Laser Doppler Lidar Instrument) an Bord (vgl. Abb. 2).
Der Laser sendet bei einer Wellenlänge von 355 nm Lichtimpulse aus,
die mit einem 1,5-m-Teleskop nach Reflektion in der Atmosphäre am
Satelliten wieder empfangen werden. Aus den Laufzeiten und dem
Dopplereffekt der reflektierten Impulse lassen sich
Feuchteverteilungen und Windströmungen in der Atmosphäre bestimmen.
Dazu fliegt der Satellit in einem sonnensynchronen Orbit (LTAN 06:00
LZ) in etwa 320 km Höhe. Die Abmessungen des Satelliten betragen 4,60
× 1,9 × 2,0 m, seine Masse beträgt beim Start 1360 kg.

Der Satellit tastet bei jeden Überflug eine Streifen von ca. 230 km
ab. Zur Erhöhung der Genauigkeit werden für jede Messung mehrere
hundert Laserimpulse ausgewertet. Die vertikale Auflösung wird bei
250 m bis 2 km und die horizontale Auflösung bei 87 km liegen.
Messungen bis zum Boden sind bei wolkenlosem Himmel und dünnen Cirren
möglich. Die Genauigkeit der Windgeschwindigkeit liegt bei 1-2 m/s.
Der Satellit überfliegt alle sieben Tage den gleichen Punkt an der
Erdoberfläche (vgl. Abb. 3.)

Die Daten werden auf Svalbard (Spitzbergen) und an der norwegischen
Forschungsstation Troll in der Antarktis empfangen, in
Tromsø/Norwegen prozessiert. Daraus werden beim EZMWF (Europäisches
Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage) die Windprofile erstellt
und anschließend von EUMESAT (Europäische Organisation für
meteorologische Satelliten) über EUMETCast den Nutzern zur Verfügung
gestellt.

Die wichtigsten Nutzer der aus Aeolus-Messungen erstellten
Windprofile werden numerische Wettervorhersagemodelle sein, aber auch
für Klimaauswertungen sind die Daten durchaus nutzbar.

Die Beschreibung des Ist-Zustands der Atmosphäre in den numerischen
Wettermodellen ist eine wesentliche Zutat für eine gute
Wettermodellierung und schließlich auch Wettervorhersage. Als
Vorbereitung für jeden Modelllauf des numerischen
Wettervorhersagemodells ICON sowie auch der anderen Wettermodelle
führender Wetterdienste wird bei der sogenannten Datenassimilation
aus allen verfügbaren, aktuellen Messungen (Bodenstationen,
Radiosonden, Radar- und Satellitendaten, ?) der momentane Zustand der
Atmosphäre bestimmt. Dazu zählen insbesondere Informationen über das
dreidimensionale Windfeld, dessen Messungen jedoch nur über den dicht
besiedelten Gebieten der Nord- und Südhemisphäre in einem
zufriedenstellenden Ausmaß verfügbar sind. In den Tropen, über den
Ozeanen und den polaren Gebieten ist dies allerdings nicht der Fall.
Dort fehlen vor allem Windprofile, also Windmessungen in
verschiedenen Höhenniveaus der Atmosphäre. Genau hier soll Aeolus
Abhilfe schaffen. Durch die polarnahe Umlaufbahn des Satelliten wird
Aeolus mit dem Doppler-Lidar weltweit dreidimensionale
Windinformationen liefern und somit insbesondere in Gebieten wie den
Tropen oder über den Ozeanen das bisherige Defizit beheben können.

Demzufolge sind die Erwartungen in der Branche der
Wettermodellentwickler hoch, dass die numerischen Wettervorhersagen
mit Nutzung der Aeolus-Messungen weiter verbessert werden können.
Darüber hinaus tragen die weltweiten, dreidimensionalen Windmessungen
durch den "griechischen Gott der Winde" auch zu einem besseren
Verständnis bezüglich des Einflusses des Klimawandels auf die
grundlegenden atmosphärischen Prozesse bei. Damit die Aeolus-Daten
auch beim Deutschen Wetterdienst direkt und ohne Probleme verwendet
werden können, sind alle notwendigen Erweiterungen und Anpassungen
bereits durchgeführt worden. Mit der ersten Datenlieferung wird dabei
in der Regel drei Monate nach einem erfolgreichen Start gerechnet.

Auch das EZMW weist in einem Interview bei der BBC vor allem auf die
deutlichen Verbesserungen der Vorhersagequalität in den Tropen und
über den Ozeanen der Nord- und Südhemisphäre hin. Dadurch können z.B.
tropische Wirbelstürme mit einer höheren Güte prognostiziert werden.
Aber auch in unseren Breiten wird zum Beispiel bei der Simulation der
Sturmentwicklungen über dem Atlantik durch die Aeolus-Daten von einer
wertvollen Unterstützung ausgegangen.

ALADIN, die Fracht von Aeolus, ist das erste satellitengestützte
Messsystem dieser Art. Die technische Umsetzung war sehr
anspruchsvoll und begann bereits im Jahr 2002. Die erwartete
Lebensdauer des Satelliten beträgt ungefähr drei Jahre. Sollte sich
der gewünschte Erfolg einstellen, werden weitere Satelliten mit
identischen oder ähnlichen Messverfahren folgen, damit die erzielten
Verbesserungen dauerhaft sichergestellt werden können.

Dr. Katja Hungershöfer, Dipl.-Met. Jörg Asmus, Dipl.-Met. Lars
Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.08.2018

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