Thema des Tages

01-09-2018 06:50

Rätselhafte "Mammatus"

Das Wort "Mammatus" stammt aus dem Lateinischen von "mamma" und
bedeutet so viel wie Brust oder brustartig. Nicht immer sind diese
beeindruckenden Strukturen nach einem kräftigen Schauer oder Gewitter
(Cumulonimbuswolke) am Himmel zu sehen, aber häufig. Rufen sie nach
dem tobenden Sturm hin und wieder doch einen romantischen Moment
hervor.

Mammatus haben oft eine weiche, laminare Struktur und treten im
Zusammenhang mit Cirrus-, Cirrocumulus-, Altocumulus-, Altostratus-,
Stratocumulus- und Cumulonimbuswolken auf. Im Falle einer
Gewitterwolke hängen sie dann üblicherweise an der Unterseite des
Gewitterambosses herab. Falls Sie die lateinischen Begriffe dieser
Wolkengattungen verwirren, schauen Sie gern in unserem
DWD-Wetterlexikon vorbei! Ebenfalls können Mammatus in
Kondensstreifen sowie in Pyrocumulus-Aschewolken von Vulkanausbrüchen
zu sehen sein.

Auch wenn Mammatuswolken recht häufig auftreten, sind u.a. die
Entstehungsprozesse aufgrund ihrer Kurzlebigkeit (ca. zehn Minuten)
und auch der sehr kleinen räumlichen Ausdehnung (ca. ein Kilometer)
nicht abschließend erforscht. Feldexperimente helfen selten, eher
werden diese Wolkenformen während anderer Feldkampagnen zufällig
gesichtet. So sind experimentell gesammelte Daten für eine gründliche
Auswertung sowie zweifelsfreie Ergebnisse hinsichtlich ihrer
Entstehung bisher nicht ausreichend. Vermutlich können sogar
verschiedene Prozesse für das Auftreten von Mammatuswolken
verantwortlich sein. Wissenschaftler haben so mehrere Theorien
aufgestellt.

Da die beeindruckenden Wolkenstrukturen hauptsächlich an
Gewitterambossen beobachtet werden, gehen Forscher davon aus, dass
vor allem instabile Schichten, große Temperatur-, Feuchte- und
Windgeschwindigkeitsunterschiede, sowie Turbulenzen in der Umgebung
der Gewitterwolke für die Entstehung von Mammatus unabdingbar sind.
Recht bildhaft kann man sich vorstellen, wie durch Niederschlag
verursachte Verdunstungsvorgänge dazu führen, dass sich die Luft
deutlich abkühlt, aufgrund ihrer höheren Dichte im Vergleich zur
warmen Umgebungsluft, herabfällt und die Wolke somit "ausbeult".
Sobald der Niederschlag verdunstet ist, erwärmt sich die Luft und
steigt wieder auf. Kommt neuer Niederschlag von oben, beginnt der
Prozess von vorn und so entstehen die vielen Ausbuchtungen unterhalb
des Ambosses. Ohne neuen Niederschlag, bleibt die Verdunstung aus und
die Mammatuswolken verschwinden wieder.

Ebenso wurden Strahlungsvorgänge im Gewitteramboss als Theorie
herangezogen, da Mammatus häufig am späten Nachmittag beobachtet
werden, wenn die Temperaturunterschiede am größten sind.
Vernachlässigt wird hierbei die Verbindung zur Hauptentstehungszeit
von Gewittern. Die Wolkenoberseite ist im Vergleich zur Umgebung über
ihr wärmer, ebenso ist der Erdboden im Vergleich zur Wolkenunterseite
wärmer. Nachdem die anfängliche Turbulenz im Gewitteramboss
abgeklungen ist, kann der Amboss ähnlich wie eine Stratocumuluswolke
wirken, außer dass die Konvektion an Ober- und Unterkante angetrieben
wird.

Zudem könnte langwellige Ausstrahlung an der Wolkenoberseite zu
Instabilitäten ebendort führen. Wenn dem so sei, könnten
Strahlungsprozesse in hochreichender vertikaler Bewegung innerhalb
des Ambosses resultieren. Mammatusformationen an der Wolkenunterseite
würden so Konvektion sichtbar machen, die sich von der
Wolkenoberseite zur Unterseite fortsetzt. Die Ausbeulung erklärt sich
wiederum dadurch, dass sich strahlungsbedingt abgekühlte
Thermikblasen beim Absinken ausdehnen.

Es sind hier noch lange nicht alle Entstehungstheorien beschrieben.
Allein diese drei Theorien hören sich in den Ohren der Meteorologen
aber sehr sinnvoll an. Jedoch schließt das Auftreten von Mammatus in
den verschiedenen Wolkengattungen mehrere Theorien ihrer Entstehung
wieder aus oder lässt die Frage offen, ob es den einen
Entstehungsmechanismus gibt bzw. ob Mammatus in den verschiedenen
Wolkengattungen durch unterschiedliche Prozesse entstehen. Das oben
beschriebene Herabstürzen von Hydrometeoren, also von
Niederschlagsteilchen, aus der "Mutterwolke", kann insofern kaum der
Hauptentstehungsmechanismus sein, als dass Mammatuswolken auch an
Cirruswolken entstehen. Denn Hydrometeore in Cirruswolken (hier:
Eiskristalle) sind so klein, dass sie keine nennenswerten
Geschwindigkeiten erreichen, die zu solch Ausbeulungen unterhalb
einer Wolke führen würden. Strahlungseffekte können ebenso zum Teil
ausgeschlossen werden, da Cirruswolken optisch relativ dünn sind. So
bleiben diese faszinierenden Wolkenformationen weiterhin ein
Mysterium für Wissenschaftler.

Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.09.2018

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