Thema des Tages

10-09-2018 07:20

Der pendelnde Herbstanfang

Meteorologisch hat er schon am 1. September begonnen und wenn man
sich die Vegetation draußen anschaut, weiß man: Der Herbst kommt.
Schließlich konnte mit der Fruchtreife der Stieleiche schon
vielerorts der Eintritt der phänologischen Jahreszeit "Vollherbst"
festgestellt werden. Aus astronomischer Sicht beginnt der Herbst
dieses Jahr am 23. September um 03:54 Uhr MESZ. Die beiden Tage, an
denen der Herbst bzw. der Frühling beginnen, werden Äquinoktien (von
lat. aequus "gleich" und nox "Nacht") genannt. Wie der Name schon
verrät, dauern lichter Tag und die Nacht überall auf der Erde
zumindest theoretisch gleich lang an.

Am Tage des Äquinoktiums schneiden sich die Ekliptik der Sonne (deren
scheinbare Umlaufbahn um die Erde) und der Himmelsäquator
(Schnittlinie der Ebene des Erdäquators mit der gedachten
Himmelskugel) im Herbst- bzw. Frühlingspunkt. Zum Äquinoktium steht
die Sonne mittags senkrecht über dem Äquator (siehe Grafik (1)).

Wie bereits oben erwähnt, dauern überall auf der Erde Tag und Nacht
theoretisch gleich lang an. Theoretisch deshalb, weil in der
sphärischen Astronomie Himmelsobjekte vereinfacht betrachtet werden
und die Ausdehnung der Sonnenscheibe ebenso wie Einflüsse der
Atmosphäre unberücksichtigt bleiben. Da aber die ersten und letzten
Sonnenstrahlen eines Tages vom oberen Rand der Sonnenscheibe ausgehen
(und nicht von deren Mittelpunkt) und durch Brechung des Sonnenlichts
in der Erdatmosphäre, dauern lichter Tag und Nacht zum Termin der
Tagundnachtgleiche nicht exakt gleich lang an, sondern die Nacht ist
um elf Minuten kürzer.
Der Kalendertag, an dem tatsächlich zwölf Stunden lichter Tag und
zwölf Stunden Nacht ist, wird Equinox genannt. Er liegt für den 50.
Breitengrad (geografische Breite von Mainz) um den 17. März bzw. 26.
September, ist also um ein paar Tage in Richtung Wintersonnenwende
verschoben.

Früher konnte man in der Schule lernen, dass der Herbstanfang
üblicherweise auf den 23. September fällt. Das stimmt zwar im
aktuellen Jahr. Betrachtet man aber die zurückliegenden Jahre, lag
der Zeitpunkt der Herbsttagundnachtgleiche mal am 22., mal am 23.
September. Aber warum ist das so?

Nun, die Ursache ist darin zu finden, dass das Jahr nicht exakt 365
Tage hat, sondern im Mittel 365 Tage 5 Stunden 49 Minuten und 1
Sekunde. Das heißt also, dass jeder Herbstanfang auf eine um knapp
sechs Stunden spätere Uhrzeit fällt als der vorhergehende.
(Schwankungen um den Mittelwert herum werden dabei unter anderem
durch von anderen Planeten beeinflusste Erdbahnstörungen verursacht.)
Nach vier Jahren hätte sich also der Frühlingsanfang um knapp 24
Stunden nach hinten verschoben. Der julianische Kalender führte ? wie
bereits zuvor schon einmal ein ägyptischer Kalender ? einen Schalttag
alle vier Jahre ein. Dieser Schalttag (heutzutage der 29. Februar)
hat aber ein Überkompensieren zur Folge, da man um 24 Stunden
korrigiert, aber der Herbstanfang nur ca. 23 Stunden 16 Minuten (4
mal 5 Stunden 49 Minuten) "wandert". Das bewirkt, dass der
Herbstanfang nach einem Schaltjahrzyklus von vier Jahren langsam zu
früheren Zeitpunkten hin verschoben wird. Mit dem gregorianischen
Kalender wird diese Überkompensation ausgeglichen, indem in drei von
vier Hunderterjahren kein Schalttag eingeschoben wird. So war das
Jahr 2000 ein Schaltjahr, 2100 bis 2300 sind jedoch keine.

Da jeder Schalttag eine Überkompensation bewirkt, die erst durch die
Schaltregel für Hunderterjahre wieder korrigiert wird, läuft eine
merkliche Verfrühung des Herbstanfangs (und natürlich auch der
anderen Jahreszeitenanfänge) auf. Blickt man in die Historie und in
die Zukunft, so kann man dies gut nachvollziehen: Anfang des 20.
Jahrhunderts lag der Herbstbeginn in etwa gleich häufig am 23. oder
24. September (siehe Grafik (2)). Aber schon bald kam der 24.
September als Herbstanfang immer seltener vor, zuletzt 1943 (unter
der Annahme, es hätte damals schon die Mitteleuropäische Sommerzeit
gegeben). Im Jahr 1984 begann der Herbst erstmals wieder an einem 22.
September. Dieses Datum nimmt seither immer mehr an Häufigkeit zu: Im
bisherigen Jahrhundert lag der Herbstanfang in sieben von 18 Fällen
am 22. September. Das nächste Mal wird dies im Schaltjahr 2020 der
Fall sein. Vorerst letztmalig wird der Herbst im Jahre 2067 an einem
23. September beginnen ? und das nur unter der Annahme, dass es die
Sommerzeit dann noch gibt, Beginn ist nämlich um 00:20 Uhr MESZ.
Anderenfalls findet der vorerst letzte 23er-Herbstbeginn im Jahr 2063
(um 01:07 Uhr MESZ/00:07 Uhr MEZ) statt.
Wegen des im Jahre 2100 ausfallenden Schalttages (siehe oben) wird
der Herbstanfang zu Beginn des 22. Jahrhunderts wieder zwischen dem
22. und 23. September pendeln.

M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.09.2018

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