Thema des Tages

27-09-2018 08:50

Wenn Seen rauchen

Schlagartig wandelte sich in den letzten Tagen das Straßenbild, denn
die fast schon in Vergessenheit geratenen Herbst- oder Winterjacken
wurden schnell wieder aus den Schränken geholt. Dies ist nicht weiter
verwunderlich, denn in den vergangenen Nächten kam es verbreitet zu
Frost in Bodennähe, in der Nacht zum Mittwoch gab es in den südlichen
Landesteilen sogar verbreitet Luftfrost (gemessen in 2 m Höhe über
Grund). Verantwortlich dafür war das noch immer wetterbestimmende
Hochdruckgebiet SCHORSE mit Schwerpunkt über Südosteuropa, das vor
allem im Süden und in Teilen der Mitte Deutschlands für eine starke
nächtliche Auskühlung sorgte.


In diesem Zusammenhang kann von den Ufern der verschiedensten Seen
zurzeit sehr gut der sogenannte "Seerauch" beobachtet werden, der
besonders während des Sonnenaufgangs eine eindrucksvolle Szenerie
liefert. Dabei steigen Fragmente von Nebelschwaden von der
Seeoberfläche auf und verschwinden anschließend relativ schnell
wieder. Der sich daher ständig bewegende Seerauch ist eine besondere
Nebelform und gehört zur Klasse der Verdunstungsnebel. Wenn relativ
warmes Wasser mit deutlich kälterer Umgebungsluft in Berührung kommt,
resultieren daraus nämlich Verdunstungseffekte. Einer dünnen
Luftschicht über dem See wird dabei unter Erwärmung Wasserdampf
zugeführt. Damit einhergehend findet aber gerade über den größeren
Seen auch eine starke Labilisierung der untersten Atmosphärenschicht
statt, denn die nun erwärmte Luft steigt auf und mischt sich mit der
relativ dazu kälteren Umgebungsluft. Bei diesem Mischungsvorgang
kondensiert der Wasserdampf und der Seerauch entsteht. Da die kalte,
trockenere Luft aber deutlich überwiegt, folgt beim weiteren
vertikalen Aufsteigen der feuchten Luft rasch wieder die Verdunstung
der Wassertröpfchen. Daher entsteht aus Seerauch in vielen Fällen
auch kein "richtiger" Nebel.


Allerdings können tief liegende Inversionen (siehe DWD-Wetterlexikon)
dafür sorgen, dass die dünne Luftschicht darunter langsam mit
erhöhter Feuchte angereichert wird. Bei einem sehr großen See mit
einem großen Wasserdampfangebot passiert es dann ab und zu, dass es
zur erneuten Kondensation kommt. Die Inversion als atmosphärische
Sperrschicht verhindert nun aber das weitere Aufsteigen der
Luftpakete und damit die Einmischung von kalter, trockener Luft.
Infolgedessen entsteht eine dünne (Hoch-) Nebelschicht, die aber im
September mit Hilfe der Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf häufig
doch noch aufgelöst wird.


Für den atmosphärischen Effekt des Seerauchs ist die aktuelle
Wetterlage geradezu prädestiniert. Der Spätsommer 2018 mit hohen
Temperaturen reichte weit in den September hinein. Damit einhergehend
weisen die Seen noch relativ hohe Wassertemperaturen zwischen 15 und
20 Grad auf. Hinter der Kaltfront von Sturmtief FABIENNE wurden nun
aber vor ein paar Tagen Luftmassen aus arktischen Breiten
herangeführt. Diese strichen über die warmen Seen und erzeugten
dadurch den mystischen Seerauch.


Der Hochdruckeinfluss bestimmt auch am heutigen Donnerstag noch
weitgehend das Wettergeschehen in weiten Teilen Deutschlands.
Besonders in der Mitte und im Süden scheint die Sonne fast ungestört.
Im Norden machen sich dagegen hochnebelartige Bewölkung sowie ein von
der Nordsee ins südliche Schweden ziehendes Tief bemerkbar, dessen
Kaltfront im Laufe der Nacht zum Freitag von Nordwesten her bis zu
den zentralen Mittelgebirgen vorankommt und am späteren
Freitagnachmittag die Alpen erreicht. Die einfließende Meeresluft
subpolaren Ursprungs gelangt dann am Wochenende rasch wieder unter
Hochdruckeinfluss, sodass an den Seen mit hoher Wahrscheinlichkeit
wieder der beeindruckende Seerauch beobachtet werden kann.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.09.2018

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