Thema des Tages

29-09-2018 08:50

?Medicane Zorbas? ? Ein (sub)tropischer Sturm über dem Mittelmeer


Tropische Systeme wie Hurrikans und Taifune sind bei vielen bekannt.
Besonders gut in Erinnerung ist sicherlich noch Hurrikan Florence
(USA) und der Supertaifun Mangkhut (Philippinen und Hongkong), die
erst in jüngster Vergangenheit Schlagzeilen gemacht haben. Aber auch
über dem Mittelmeer können Stürme mit einem tropischen Charakter
entstehen, man nennt sie dann Medicanes.

Der Begriff Medicane ist schon mehr als 30 Jahre alt und ist einfach
eine Kombination aus zwei Wörtern ??mediterran? und ?Hurricane?.
Etabliert hat sich dieser Begriff, als die ersten Satellitenbilder in
den Achtzigerjahren tropisch anmutende Tiefdrucksysteme über dem
Mittelmeer zeigten, die wie ein tropischer Wirbelsturm ein Auge im
Zentrum ausbildeten.

Was unterscheidet einen Medicane eigentlich von einem ?normalen?
außertropischen Tiefdrucksystem mittlerer Breiten? Tiefdruckgebiete
bilden sich normalerweise aufgrund von horizontalen
Temperaturunterschieden zwischen den nördlichen und südlichen
Breiten. Um die Unterschiede auszugleichen, bilden sich zwischen den
beiden Systemen unsere bekannten Tiefdrucksysteme, die ein
klassisches Frontensystem ausbilden. Warmfront und Kaltfront trennen
dabei die verschiedenen Luftmassen.
Tropische Systeme haben hingegen keinerlei Fronten. Stattdessen
bildet sich ein warmer Kern, das heißt, im Zentrum des Tiefs ist die
Temperatur in allen Höhenschichten wärmer, als in ihrer Umgebung.
Damit ergibt sich auch die klassische zirkulare Erscheinungsform mit
einem ?Auge? ? also einem wolkenfreien Zentrum.

Medicane stellen eine Art Mischform dar. Meist ist ihr Ursprung
außertropisch, ehe sie später zunehmend tropische Eigenschaften
erlangen. Wunderbar lässt sich dies am aktuellen Medicane ?Zorbas?
über dem Ionischen Meer erkennen, der am heutigen Samstag
Griechenland bedroht.

Der Ausgangspunkt von ?Zorbas? war ein Kaltluftvorstoß in das
östliche Mittelmeer, der am Mittwoch stattgefunden hat. Ein damit in
Verbindung stehendes Tief in höheren Luftschichten sorgte mit seiner
Dynamik, aber auch in Verbindung mit der Höhenkaltluft, für die
Ausbildung eines Bodentiefs vor der Libyschen Küste. Genau diese
Kaltluft in der Höhe war es auch, die in Verbindung mit dem warmen
Meerwasser zur Ausbildung von Schauern und Gewittern geführt hat. Die
Wassertemperatur im Ionischen Meer liegt derzeit bei etwa 27 Grad.
Diese Prozesse haben das Tief zusätzlich verstärkt. Der Ausgangspunkt
für Medicane ?Zorbas? war also außertropisch.

Mittlerweile hat ?Zorbas? aber klar subtropische Züge angenommen.
Erkennen lässt sich dies vor allem seiner Struktur. So liegt das Tief
in der Höhe nun nahezu senkrecht oberhalb des Bodentiefs (senkrechte
Achsenlage). Zudem ist die Höhenkaltluft verschwunden. Stattdessen
lässt sich ein warmer Kern bis in die höheren Troposphärenschichten
finden. Das Tief zeigt zudem eine zirkulare Struktur. Einzig ein
Auge hat sich nicht ausbilden können.

Positiv für die Verstärkung in den letzten 24 Stunden war vor allem,
dass die Unterschiede zwischen den Windgeschwindigkeiten in
verschiedenen Luftschichten (vertikale Windscherung) nur gering
waren. Eine geringe vertikale Windscherung hilft, eine gebündelte
zirkulare Struktur zu erhalten. Wäre die Windscherung zu stark, würde
es den Sturm ?zerreißen? und ihn angreifbar machen für trockenere
Luftmassen aus der Umgebung. Eine zu starke vertikale Windscherung
schwächt den (sub)tropischen Sturm also.

Hilfreich ist zudem, dass das Meerwasser in dem sich ?Zorbas? bewegt,
wärmer als im langjährigen Durchschnitt ist. Die Wassertemperatur
liegt mit etwa 27 Grad etwas unter den Schwellwerten für tropische
Systeme und das warme Wasser hat auch nur eine geringe Ausdehnung. Es
ist also nur die Oberfläche sehr warm. Gleichzeitig liegt aber auch
die Temperatur in höheren Luftschichten niedriger, als über den
Tropen. Damit sind auch etwas niedrigere Werte der
Meeresoberflächentemperatur durchaus ausreichend um einen
Subtropensturm wie ?Zorbas? zu verstärken.

Und wie geht es weiter? Der Medicane hat um sein etwas asymmetrisch
aussehendes Zentrum zahlreiche Gewitterherde ausgebildet und wird im
Laufe des heutigen Tages in eine neue Tiefdruckentwicklung
eingebunden, die von Westen her übergreift. Das hat zur Folge, dass
das System nordostwärts geführt wird und dabei Griechenland
überquert, ehe es am Sonntag die Türkei erreichen wird. Ein Problem
ist natürlich der Wind. Die stärksten Böen werden bei Landgang auf
das Griechische Festland im Sturm- bis Orkanbereich vorhergesagt. Die
Prognosen bewegen sich zwischen 100 und 130 km/h. Die Böen von
?Zorbas? werden sich durch die Reibungsverluste aufgrund der
Wechselwirkung mit dem Land bis zum Sonntag deutlich abschwächen.
Ein weiteres sehr großes Problem stellt der Niederschlag dar. So
werden über Teilen von Griechenland innerhalb von 24 h Mengen
zwischen 200 und 500 l/qm vorhergesagt. Im Vergleich dazu: In
Frankfurt am Main liegt die mittlere Jahresniederschlagssumme bei 650
l/qm.

Es ist also zu erwarten, dass Zorbas für sehr große Probleme in den
betroffenen Regionen sorgen wird. Neben Windschäden, muss vor allem
mit Überflutungen und Erdrutschen gerechnet werden. Im Laufe der
weiteren Entwicklung wird sich der Medicane wieder in ein
außertropisches Tief umwandeln und weiter nordostwärts ziehen.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.09.2018

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst