Thema des Tages

08-10-2018 09:50

Von Höhentiefs und Vorhersageunsicherheiten


Eigentlich könnte es so einfach sein: Ein sich kräftigendes Bodenhoch
liegt nahezu ortsfest über dem Baltikum und beeinflusst Deutschland.
Es wäre also anzunehmen, dass sich länger freundliches und trockenes
Wetter an allen Tagen in den Vorhersagetexten finden lässt.
Allerdings heißt hoher Luftdruck am Boden nicht zwingend, dass auch
das Wetter dauerhaft sonnig und trocken ist.

Ein Phänomen, das bei hohem Luftdruck oft für wenig freundliches
Wetter sorgt, ist der Nebel bzw. Hochnebel. Gerade bei windschwachen
Verhältnissen in den Herbst- und Wintermonaten ist dieser häufig
anzutreffen und kann sich auch am Tage längere Zeit halten oder sich
zum Teil gar nicht auflösen. Die Höchstwerte liegen in den
betroffenen Regionen signifikant niedriger als im Rest des Landes.
Heute und morgen ist dieses wieder Phänomen über Teilen des Südens
und der Mitte vortrefflich zu beobachten.

Eine weitere Möglichkeit für trübes und zum Teil nasses Wetter unter
Hochdruckeinfluss sind die sogenannten Höhentiefs. Aber was ist
eigentlich ein Höhentief? Wetterkarten, die man in der Zeitung oder
andernorts findet, stellen immer die Situation am Boden dar. In der
Wettervorhersage sind aber auch höhere Luftschichten sehr wichtig,
zum Beispiel in einem Höhenniveau von etwa 5500 m (500 hPa). Auch in
diesen Höhen lassen sich Wetterkarten zeichnen und auch dort findet
man Hochs und Tiefs. Diese umspannen die mittleren Breiten der Nord-
und Südhalbkugel wellenförmig und werden Keile und Tröge genannt.
Manchmal findet man aber auch abgeschlossene Druckgebilde wie am
Boden. Man nennt sie dann Höhenhochs und Höhentiefs.
Oftmals wird die Entwicklung am Boden von höheren Luftschichten
beeinflusst. Die dort befindlichen Tröge können die Entstehung eines
Sturmtiefs am Boden zur Folge haben. Genauso sind Höhenkeile oft
verantwortlich für die Ausbildung von Hochdruckgebieten. Manchmal
kommt es aber auch vor, dass sich Höhentiefs überhaupt nicht am Boden
widerspiegeln. Dann nennt man diese: "Kaltlufttropfen".

Genau diese kleinräumigen Kaltlufttropfen stellen die Wettermodelle
auch heute noch vor größere Schwierigkeiten. Angereichert mit
feuchten und kalten Luftmassen sorgen sie zum Teil für trübes und
graues Wetter oder auch Schauer und Gewitter. Entscheidend sind die
genaue Zugbahn und Stärke dieser Höhentiefs und eben diese lassen
sich nur schwierig vorhersagen.

Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung zum Ende dieser Woche. So wird
in der Nacht zum Freitag die Entwicklung eines eigenständigen
Höhentiefs über Frankreich vorhergesagt, das anschließend südwärts in
Richtung Norditalien ziehen soll, während gleichzeitig am Boden hoher
Luftdruck vorhergesagt wird. Das zeigt zumindest die Version des
amerikanischen Modells (GFS) von heute Morgen (08.10.2018). Das
Problem dabei ist allerdings: Andere Wettermodelle zeigen eine ganz
andere Entwicklung. Nehmen wir beispielsweise das europäische Modell
(ECMWF). Dort wird zwar auch die Entwicklung eines Kaltlufttropfens
vorhergesagt, allerdings soll dieser über dem Norden Deutschlands
ostwärts ziehen.

Selbst innerhalb eines Wettermodells gibt es große Unterschiede.
Nehmen wir noch einmal das GFS. Zum einen werden die Vorhersagen
dieses Modells alle 6 Stunden neu erzeugt, zum anderen wird das
Modell bei jedem Lauf nicht nur einmal, sondern immer 20-mal
berechnet. Die Ist-Situation, mit der die Modellberechnungen starten,
ist dabei jedes Mal leicht unterschiedlich. Schaut man sich die
resultierenden 20 Berechnungen des aktuellen Modelllaufs an, dann
zeigt sich die volle Bandbreite an Lösungen für den Freitag. Manche
Berechnungen zeigen das Höhentief über dem Norden, andere über der
Mitte oder dem Süden von Deutschland. Es gibt sogar Prognosen, bei
denen der Kaltlufttropfen gar nicht auftaucht.

Eine genaue Vorhersage von Wolkenbedeckung und Temperatur ist damit
für den Freitag aus heutiger Sicht quasi unmöglich. Damit ergibt sich
auch das Phänomen, dass Vorhersagen für einen längeren
Vorhersagezeitraum derzeit sicherer sind, als für einen kürzeren
Prognosehorizont. So weiß man zwar nicht, was genau am Freitag
passiert, kann aber mit einiger Sicherheit sagen, dass das
darauffolgende Wochenende außerhalb von Nebel- und Hochnebelgebieten
störungsfrei, freundlich und mild wird.

Für eine Wetterprognose ist es also wichtig, die Atmosphäre räumlich
dreidimensional zu betrachten. Die Bodenwetterkarte allein ist nur
eine von vielen Bausteinen, die über die weitere Entwicklung des
Wetters entscheidet.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.10.2018

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