Thema des Tages

31-10-2018 08:50

Latente Energie ? die verborgene Kraft in der Wetterküche!

Die latente Wärmeenergie [von lat. latere=verbergen] ist die
Wärmeenergie, die bei konstanter Temperatur und konstantem
Luftdruck für einen Aggregatzustandswechsel eines Stoffes
benötigt bzw. bei einem Phasenübergang freigesetzt wird. Die
Phasenübergänge zwischen den Aggregatzuständen fest und flüssig
werden dabei als "Gefrieren" und "Schmelzen" bezeichnet. Zwischen den
Zuständen flüssig und gasförmig spricht man von "Kondensieren" und
"Verdunsten". Bei den Übergängen von fest und gasförmig ist
schließlich die Rede von "Sublimieren" und "Resublimieren".

Für die Meteorologie ist diesbezüglich der Stoff "Wasser" von
besonderer Bedeutung, der bei seinen Phasenwechseln große
Energiemengen in der Troposphäre umsetzt. Der Begriff "Latente
Wärmeenergie" steht meist für die Wärmemenge, die im Wasserdampf als
potentielle Energie gespeichert ist. Luft, die Wasserdampf enthält,
besitzt aus diesem Grund auch immer eine große Energiemenge, die sich
aber nicht in der Temperatur auswirkt und deshalb latent (verborgen)
genannt wird.

Diese Wärmemenge wird, global betrachtet, bei der Verdunstung
hauptsächlich den Wasseroberflächen entzogen. Im Wasserhaushalt der
Erde besteht die Verdunstungskomponente aus rund 86 Prozent
Meeresanteil und rund 14 Prozent Landanteil. Während des
Verdunstungsvorgangs wird der Verdunstungsoberfläche Wärme entzogen,
wobei ihre messbare Temperatur absinkt. Dieser verdunstungsbedingte
Abkühlungseffekt kann schließlich bei den unterschiedlichsten
Wetterphänomenen beobachtet werden.

Im Winter ist beispielsweise ein rasches Absinken der
Schneefallgrenze mit der Verdunstungsabkühlung in Verbindung zu
bringen. Fällt Niederschlag, anfangs als Regen, in eine trockene
bodennahe Schicht, verdunstet er zunächst und kühlt somit die Schicht
ab. Nachfolgend sinkt die Schneefallgrenze ab. Vor allem in den
Tälern der Gebirge lässt sich dieser Vorgang besonders gut
nachvollziehen. Des Weiteren kann eine signifikante
Verdunstungsabkühlung z.B. im Umfeld von tropischen Wirbelstürmen
festgestellt werden. Diese beziehen den Großteil ihrer benötigten
Energie aus dem Meeresoberflächenwasser. Bei der Verdunstung wird dem
Meerwasser Wärmeenergie entzogen, was eine deutliche Erniedrigung der
Temperatur der Wasseroberfläche zur Folge hat. Mit Durchzug von
Hurrikan ?Katrina? im Golf von Mexiko fiel beispielsweise die
Wasseroberflächentemperatur um etwa 1 Grad von 32 auf 31 Grad ab (vom
29. Zum 30. August 2005).

Bei der Kondensation (Übergang gasförmig-flüssig) oder Sublimation
(Übergang gasförmig-fest) des Wasserdampfes wird die latente
Wärmeenergie schließlich wieder freigesetzt. In der Troposphäre
erhöht sich dabei die Lufttemperatur der Umgebung. Dieser
kondensationsbedingte Erwärmungseffekt tritt z.B. bei der Wolken- und
Niederschlagsbildung auf. Besonders bei Gewitterwolken, den
sogenannten "Cumulonimbi", ist die Freisetzung von latenter Energie
von großer Bedeutung. Je mehr Wasserdampf kondensiert, umso mehr
Wärmeenergie wird freigesetzt und desto größer sind die Aufwinde in
der Wolke. Dies ist auch der Grund, weshalb sich vor allem an
schwülheißen Sommertagen, an denen die Luft über einen hohen
Feuchtegehalt verfügt, kräftige Gewitter entwickeln können.

Von diesen Tagen sind wir in Deutschland derzeit allerdings weit
entfernt. Auch wenn sich der Oktober teilweise sommerlich zeigte und
auch der November sich in den nächsten Tagen anschickt, örtlich
Temperaturen bis 20 Grad zu erreichen. Ein Blick auf die
Alpensüdseite kann sehr schön die Effekte der latenten Energie
sichtbar machen. Wie im Thema des Tages vom 27. Oktober beschrieben,
kam es in Italien durch kräftige Gewitter, die sich teilweise zu
mächtigen Clustern zusammenschlossen, zu heftigen konvektiven
Niederschlägen. Da das Mittelmeer noch über eine relativ hohe
Oberflächenwassertemperatur verfügt, können die bodennahen Luftmassen
entsprechend erwärmt und mit Feuchte angereichert werden. Die
induzierte Hebung der Luft in höheren Schichten setzt, wie
beschrieben, die "latente Energie" frei und verstärkt somit die
vertikalen Windgeschwindigkeiten. Aber auch die am 27. Oktober
betrachteten intensiven Niederschläge an den orographischen
Hindernissen wie Alpen und Apenninen verfügten durch die gestauten,
sehr feuchten und warmen Luftmassen vom Mittelmeer über einen
gewissen Antrieb durch die "latente Energie".

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.10.2018

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