Thema des Tages

05-11-2018 09:20

Verfrühter "Martinssommer"?

Das Jahr des "Sommers" zeigt weiter kaum Schwächen! Auch zum
Jahresausklang haben die sommerlichen Begriffe wie Spätsommer,
Altweibersommer, goldener Oktober oder nun der Martinssommer
Hochkonjunktur. Typische Kälteeinbrüche sind selten und kurz.
Stattdessen dominieren bei deutlich überdurchschnittlicher
Sonnenscheindauer zweistellige Höchstwerte.

Verantwortlich für die außergewöhnlich stabilen Witterungsbedingungen
sind nahezu gleichbleibende bzw. rasch wiederkehrende
Luftdruckmuster. In diesem Jahr stehen die sogenannten blockierenden
Wetterlagen ganz hoch im Kurs. Kräftige Hochdruckgebiete hinderten
atlantische Tiefdruckgebiete daran Europa auf direktem Weg ostwärts
zu überqueren. Da der hohe Luftdruck dabei meist über oder östlich
von Deutschland lag und der tiefe Luftdruck, westlich strömte die
Luft entsprechend der Drehbewegung der Druckgebilde überwiegend aus
den warmen Regionen Südeuropas ins Land. War der Hochdruckeinfluss
auch noch sehr stark ausgeprägt, konnte zudem auch die Sonne länger
scheinen. Schon am 20. Oktober wurde dies im Thema des Tages mit dem
Titel "Der Sommer im Herbst" analysiert. Der einzige Hinweis, dass
wir uns nun langsam dem Winter nähern, liefert das abnehmende
Tageslicht und die Bildung von zähen Nebel- und Hochnebelfeldern bei
Aufklaren in den länger werdenden Nächten.

Auch derzeit beherrscht ruhiges und teils sehr mildes Herbstwetter
Deutschland. Temperaturen bis 20 Grad und nach Auflösung der
Nebelfelder viel Sonnenschein werden im November häufig mit dem
sogenannten "Martinssommer" erklärt. Aus kalendarischer Sicht wäre er
in diesem Jahr aber etwas früh dran. Dies lässt den Schluss zu, dass
entweder auch in der kommenden Woche wieder milde und sonnige
Herbsttage anstehen oder dass der Martinssommer in diesem Jahr
einfach etwas verfrüht Einzug gehalten hat. Eine genaue Abgrenzung
ist bei dem anhaltenden "Sommer im Herbst" aber auch schwierig. Die
mittelfristigen Wettersimulationen, die ab dem Wochenende einen eher
unbeständigen und windigen Wettercharakter zeigen, sprechen aber für
den zu frühen "Martin".

Auch im letzten Jahr stiegen die Höchstwerte bei viel Sonnenschein in
der ersten Novemberhälfte vor allem im Südwesten auf Werte zwischen
14 und 19 Grad an und ließen ein Frühlingsfeeling aufkommen. Der
Martinssommer wurde also seinem Ruf auch im Jahre 2017 gerecht.

Völlig außergewöhnlich ist eine Wärmeperiode vor allem Mitte November
jedoch nicht, schon die Bauernregeln geben Hinweise auf diese
überdurchschnittlichen Temperaturen. Im Volksmund wird eine typische
Schönwetterperiode aufgrund stabiler Hochdrucklagen gegen Ende der
ersten Novemberdekade vor allem in der Schweiz und Süddeutschland als
"Martinssommer" oder "Martini-Sommer" bezeichnet. Dort ermöglicht die
Wärmeperiode in den Weinbaugebieten eine Novemberlese. Aus
meteorologischer Sicht gehören diese Tage zu den stetigen
Singularitäten. Mittlerweile wird der Ausdruck "Martini-Sommer" im
gesamten deutschsprachigen Raum angewendet.

Der Glaube an diese sogenannten Lostage geht auf Gebräuche des
Altertums zurück, die später von der christlichen Kirche übernommen
wurden. Im Mittelalter wurden diese Termine und andere Bauernregeln
meist mündlich u.a. in "Bauernpraktiken" sowie in
landwirtschaftlichen Kalendern überliefert. Im Falle des
"Martini-Sommers" ereignete sich der Legende nach dieses
Wetterphänomen erstmals beim Tod des heiligen Martin im französischen
Tours. Der Bischof starb unerwartet während eines Besuches im
Kloster, das er gegründet hatte. Bei der Überführung seines Leichnams
auf der Loire in die Stadt sorgte ein plötzlicher Wärmeeinbruch
dafür, dass die Ufer neu ergrünten und Obstbäume zu blühen begannen.
Dieser Vorgang wurde damals als vermeintliches Wunder angesehen. Der
"Martinssommer" ist demnach eine Zeit mit einigen warmen Tagen kurz
vor der dunklen Winterzeit.

Dem Volksmund nach währt der "Martinssommer" jedoch nicht lange. Ob
dies auch in diesem Jahr zutrifft, muss abgewartet werden. Wie
beschrieben zeigen die Wettersimulationen ab dem Wochenende eine
Umstellung zu eher windigem und unbeständigem Wetter. Wie nachhaltig
diese ist und ob eine blockierende Lage mit milden und trocken
Wetterbedingungen mittel- bzw. langfristig erneut Einzug hält, werden
die nächsten Tage zeigen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.11.2018

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