Thema des Tages

15-06-2016 14:40

Die nächste große Schütte

Die vergangenen Tage und Wochen verliefen nicht gerade
niederschlagsarm. Wiederholt auftretende Schauer und mitunter heftige
Gewitter brachten regional erhebliche Niederschlagsmengen. Diejenigen
unter uns, die beharrlich auf beständiges Sommerwetter hoffen -
immerhin nähern wir uns dem kalendarischen Sommeranfang - werden in
den nächsten Tagen zum wiederholten Male in die Röhre schauen müssen.


Das Gros der Wettermodelle berechnet für die nächsten Tage, besonders
für den Zeitraum zwischen Donnerstag und Samstag, eine Wetterlage,
die zumindest prädestiniert für enorme Niederschlagsmengen ist. Etwa
über dem östlichen Alpenraum setzt am Donnerstagabend eine
Tiefdruckentwicklung ein. Das Tief verlagert sich unter
Intensivierung nordwärts Richtung Ostsee, wo es schließlich am
Freitagabend erwartet wird. In die Zirkulation des Tiefdruckgebietes
wird von Südosten her feuchte und warme Mittelmeerluft einbezogen,
die über Deutschland auf kühlere Atlantikluft stößt. Im Bereich der
sich dabei einstellenden großen Temperaturgegensätze - wir
Meteorologen reden dabei auch von "Baroklinität" - werden Regenfälle
verursacht, die aufgrund des durch die Mittelmeerluft
bereitgestellten hohen Wassergehaltes der Luftmasse sehr intensiv
ausfallen können.

"Nicht schon wieder dieser Starkregen, den hatten wir doch erst",
werden sich viele sagen. Das stimmt nicht ganz! Die Niederschläge,
die von den meisten Wettermodellen in Aussicht gestellt werden, haben
mit den Schauern und Gewittern, die als eher kleinräumige
meteorologische Phänomene punktuell zuschlagen, nicht viel zu tun.
Sie kommen ungleich großflächiger daher und bewässern auch größere
Gebiete. Dadurch verschiebt sich auch das Gefahrenpotenzial von
möglichen Sturzfluten zu Überschwemmungen, insbesondere durch die
zunehmend Hochwasser führende Flüsse. Problematisch sind dabei
besonders die bereits vielerorts wassergesättigten Böden. Das
zusätzliche Wasser, das durch den Niederschlag bereitgestellt wird,
fließt somit größtenteils ab und wird in Bäche und Flüsse
eingetragen, wodurch diese weiter anschwellen.

Die Aufgabe für uns Meteorologen beim Deutschen Wetterdienst ist es
nun, sowohl die Niederschlagsmengen abzuschätzen, als auch mögliche
Schwerpunkte der Niederschläge auszumachen. Dabei werden verschiedene
Wettermodelle und deren Berechnungen begutachtet, interpretiert und
mit einer Brise Erfahrung zu einem Vorhersagekonzept verschnitten.

Derzeit noch durchaus große Unterschiede in der Berechnung der
Niederschlagsschwerpunkte ergeben sich insbesondere aus der sehr
verschieden simulierten Intensität und Zugbahn des Tiefdruckgebietes.
Die Grafik auf www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/6/15.html
zeigt die Niederschlagsschwerpunkte, die die drei Globalmodelle ICON,
GFS und EZMWF setzen (Stand heute Morgen, 15.06.). Unter gebührender
Berücksichtigung der Differenzen ergeben sich vor allem für den
Nordosten und Osten Deutschlands Überschneidungen, die dort auf eine
erhöhte Wahrscheinlichkeit für kräftigere Entwicklungen hinsichtlich
des Dauerregens bis in den markanten Bereich (über 30 l/qm in 24
Stunden), teils bis in den Unwetterbereich (über 50 l/qm in 24
Stunden) schließen lässt. Da solche Tiefdruckentwicklungen in der
Vergangenheit im Vergleich zu den Berechnungen der Wettermodelle eher
weiter östlich als westlich stattfanden, muss man die Osthälfte
Deutschlands, darüber hinaus aber auch die Staulagen der östlichen
Mittelgebirge sowie den Alpenrand definitiv im Auge behalten.
Wirklich Klarheit werden aber erst die nächsten Wettermodellläufe
verschaffen.

Am Samstag zieht der stärkste Regen nordostwärts ab, die
niederschlagsreiche Witterung ist damit aber noch nicht passe.
Vielmehr stellt sich wieder der altbekannte Zustand punktuell
auftretender Schauer und Gewitter ein. Damit bleibt die
Hochwasserlage bis auf weiteres angespannt - das Befinden des ein
oder anderen Sonne- und Wärmeliebhabers wohl auch.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.06.2016