Thema des Tages

16-11-2018 08:20

Die Ungerechtigkeiten des Alltags

Wir Vorhersagemeteorologen haben die zentrale Aufgabe, stets den
Überblick über das bundesweite Wettergeschehen zu behalten. Um dies
bewerkstelligen zu können, stehen uns mittlerweile verschiedenste
Methoden und technische Hilfsmitteln zur Verfügung. Neben den
allseits bekannten Wetterstationen, die Auskunft über das aktuelle
Wetter an einem bestimmten Ort geben, beziehen wir unsere
Informationen aber zunehmend aus sogenannten
"Fernerkundungsverfahren". Dabei wird, wie der Name schon vermuten
lässt, eine definierte meteorologische Information eines bestimmten
Ortes von einem weit davon entfernten Standort aus erhoben.

Das unter der Bevölkerung wohl bekannteste Fernerkundungsprodukt ist
das Satellitenbild. Mit diesem kann zum Beispiel die
Bewölkungsverteilung über ganz Deutschland detailgetreu sowie
hochaktuell dargestellt werden. Hochaufgelöste Satellitenbilder
stehen mittlerweile sogar alle 5 Minuten zur Verfügung. Zu verdanken
ist diese hohe Aktualisierungsrate den geostationären Satelliten, die
in einer Höhe von 36.000 km über dem Äquator permanent Bilder der
Erdoberfläche Mitteleuropas schießen und diese zu den
meteorologischen Rechenzentren schicken.

Besonders eindrucksvoll ist die Betrachtung der Satellitenbilder im
Sommer, wenn mächtige Gewitterwolken in die Höhe schießen oder
ausgedehnte Gewitterlinien über Deutschland hinwegziehen. Aber auch
die herbstlichen Nebel- und Hochnebelsituationen haben durchaus ihren
visuellen Reiz. Während ruhigen spätherbstlichen Hochdruckphasen kann
sich in den Tälern, Becken und Senken die kalte und damit schwere
Luft sammeln. Die Sonne hat zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit
nicht mehr die Kraft, diese bodennahe Kaltluft wesentlich zu
erwärmen. Infolgedessen reichert sich nun in dieser Luft Feuchtigkeit
an, die mit der Zeit zu sichtbaren Tröpfchen kondensiert - Nebel
entsteht. Jetzt bringt die topographische Gliederung Deutschlands mit
sich, dass es typische Nebel- und Hochnebelregionen gibt. Zu nennen
sind hier zum Beispiel das Bodenseegebiet, die obere Donau sowie
manche Täler der zentralen Mittelgebirge. Es besteht hier demnach
durchaus eine systematische meteorologische Benachteiligung dieser
Regionen, zumindest werden das die Sonnenfreunde so sehen.

Am heutigen Freitag können sich Nebel und Hochnebel nicht mehr so
verbreitet halten wie an den vergangenen Tagen. Ursächlich dafür ist
der etwas auffrischende Wind, der natürliche Feind des Nebels. Mit
diesem wird die untere Atmosphäre besser durchmischt und dadurch der
bodennahe relative Feuchtigkeitsgehalt vermindert. Zudem ist die mit
östlicher Strömung herangeführte Festlandsluft trockener, damit wird
der nebelauflösende Effekt nochmal verstärkt. Daher kommt ein
Großteil der Bevölkerung in den Genuss eines sonnigen Tages, nur jene
im Umfeld der oberen Donau und am Bodensee werden wahrscheinlich auch
am heutigen Tag vergeblich auf die Sonne warten. Dort ansässige
Menschen sind mit dieser meteorologischen Ungerechtigkeit aber
bestens vertraut und nehmen diese wohl nur mit kurzen Seufzern hin.

Am Samstag wird der Hochnebel voraussichtlich auch dort ausgeräumt
und einem sonnigen Tag steht dann nichts mehr im Wege. Allerdings
sorgt der von Tag zu Tag kälter werdende Ostwind dafür, dass schon
einen Hauch des anstehenden Winters durchs Land zieht. Kommende Woche
steht nämlich nicht mehr primär der Nebel auf der Warnkarte, sondern
Glätte- und regional auch Schneefallwarnungen werden dominieren.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.11.2018

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