Thema des Tages

18-11-2018 08:50

Die ominöse 4-Grad-Grenze

Mittlerweile ist die Mehrzahl der auf den Straßen befindlichen
Personenkraftwagen mit Systemen ausgestattet, die Glättehinweise
erzeugen. Wahrscheinlich wurde Ihnen diese Tatsache in den letzten
Tagen erst wieder richtig bewusst, denn die aktuellen nächtlichen
Temperaturen bringen es mit sich, dass solche Hinweise wieder
häufiger zum Vorschein kommen. Diese Glättehinweise werden dem Lenker
entweder mittels Signalton vermittelt oder per Anzeige auf dem
Armaturenbrett zur Kenntnis gebracht. Doch warum weiß das Auto über
die vorherrschende Glättesituation scheinbar so genau Bescheid?

Die meisten Fahrerinnen oder Fahrer werden schon kombiniert haben,
dass ein solcher Hinweis meistens bei einer gemessenen
Außentemperatur von etwa +4 Grad Celsius angezeigt wird. Die Ausgabe
von Glättewarnungen ist in den Autos nämlich direkt an den durch das
Außenthermometer ermittelten Temperaturwert gekoppelt. Fällt diese
Temperatur unter einen vorher fixierten Grenzwert, wird sofort der
entsprechende Hinweis ausgelöst. Das Problem ist aber, dass die
Temperaturermittlung natürlich nicht direkt auf dem Straßenbelag
erfolgen kann. Der Temperaturfühler ist stattdessen in einer gewissen
Höhe an der Karosserie des Autos angebracht. Dadurch wird nicht die
entscheidende Oberflächentemperatur der Fahrbahn gemessen, sondern
eben die Lufttemperatur in der entsprechenden Messhöhe. Die Fahrbahn
kühlt aber während des Abends und in der Nacht häufig deutlich
stärker ab als die darüber liegende Luft (Stichwort langwellige
Ausstrahlung). Dies ist besonders in klaren Nächten der Fall. Das
bedeutet aber natürlich, dass sich beide Werte stark unterscheiden
können. Erwähnenswert ist zudem, dass auch das Belagsmaterial an sich
einen gewissen Einfluss auf die Oberflächentemperatur ausübt. Eine
Betonfahrbahn weist zum Beispiel andere Auskühlungseigenschaften auf
als eine Asphaltdecke oder ein geschotterter bzw. begrünter Fahrweg.

Die genaue Temperaturmessung wird aber noch durch weitere
Randbedingungen gestört. Zum Beispiel könnte der Messfühler durch
Feuchtigkeit beeinträchtigt oder zu nahe am heißen Motor angebracht
sein. Auch die genaue Anströmung durch den Fahrtwind ist eine
mögliche Quelle von Messungenauigkeiten. Aufgrund dieser
Unsicherheiten und vor allem wegen der vorher erwähnten starken
Auskühlung des Belags hat sich jeder Hersteller auf eine "kritische"
Temperatur für Glätte festgelegt. Diese kann natürlich von Modell zu
Modell etwas unterschiedlich sein. Erfahrungswerte zeigen aber, dass
PKW-Lenker ab einer gemessene Temperatur von 4 Grad Celsius verstärkt
auf mögliche Glätte achten sollten. Daher "piepen" die meisten Autos
beim Erreichen dieser Temperaturmarke.

Selbstverständlich gibt auch der Deutsche Wetterdienst Warnungen vor
schwierigen oder gar gefährlichen Straßenverhältnissen aus.
Verwendung findet dabei unsere gewohnte vierstufige Farbpalette. Bei
Glätte durch überfrierende Nässe oder geringfügigen Schneefall wird
beispielsweise zu einer gelben Wetterwarnung gegriffen. Kommt es
örtlich zu gefrierendem Regen ist das Gefahrenpotential schon
deutlich erhöht, daher wird die entsprechende Warnung in der Farbe
orange dargestellt. Verbreitete Glatteislagen münden schließlich in
einer Unwetterwarnung (rot), gegebenenfalls wird mit einer
"Vorabinformation Unwetter" frühzeitig darauf hingewiesen. Verfolgen
sie daher bitte im kommenden Winter unsere Warnungen auf www.dwd.de
oder über die WarnWetterApp.

Obwohl die erwähnten automatischen Glättehinweise im Auto durchaus
eine wertvolle Hilfestellung sind, verlassen Sie sich aber nicht nur
auf diesen Automatismus. Besonders wenn Sie ihr Auto während der
Nacht in einer warmen Garage stehen haben, zeigt das Bordthermometer
während der ersten Zeit unter freiem Himmel einen falschen Wert an.
Es braucht eine gewisse Zeit, bis sich die Temperaturmessung im
korrekten Bereich eingependelt hat. Wird dies nicht beachtet, kann es
sehr schnell passieren, dass beim Ertönen des ersten Warntons das
Auto bereits im Straßengraben eingeparkt wurde.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.11.2018

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst