Thema des Tages

16-06-2016 14:40

Trog Westeuropa

Der Jahresverlauf der Witterung an einem Ort oder in einem Gebiet
besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den sog.
Großwetterlagen. Diese ergeben sich durch bestimmte großräumige
Luftdruck bzw. Geopotentialverteilungen und die daraus resultierenden
Strömungsmuster. Welche Großwetterlage sich einstellt, wird
letztendlich durch die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre bestimmt
und manifestiert sich im raum-zeitlichen Verhalten der
atmosphärischen Höhenströmung in der mittleren Troposphäre.

Diese fließt auf der Nordhalbkugel stets so, dass, in Stromrichtung
betrachtet, auf der rechten Seite hoher Luftdruck bzw. hohes
Geopotential und auf der linken Seite tiefer Luftdruck bzw. niedriges
Geopotential herrschen. Das Wetter selbst wird außerdem noch durch
die Eigenschaften der in das jeweilige Zirkulationsregime
einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der Andauer einer
Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des betrachteten Gebietes
durchaus wechseln, der Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.

Die seit dem gestrigen Mittwoch vorherrschende Wetterlage nennt sich
"Trog Westeuropa" (wiss. Abk. TrW). Sie gehört zu den meridionalen
Zirkulationsformen, d.h. sie ist durch eine stark mäandrierende
Höhenströmung gekennzeichnet. Derzeit verläuft diese über dem
Ostatlantik in Nord-Süd-Richtung, kehrt etwa über der Iberischen
Halbinsel um, wendet sich zunächst nordostwärts und schließlich über
Mitteleuropa nordwärts. Somit befindet sich über Westeuropa ein
ausgedehntes Gebiet niedrigen Luftdruckes bzw. Geopotentials, welches
im Meteorologenjargon gern als "langwelliger Trog" bezeichnet wird.

In der dort vorhandenen, hoch reichenden Kaltluft nimmt der Luftdruck
in der Vertikalen schneller ab als in warmer Luft, so dass ein
Höhentrog immer mit tiefem Luftdruck bzw. niedrigem Geopotential in
der mittleren und höheren Atmosphäre verbunden ist. Die
Wechselwirkung mit den tieferen Atmosphärenschichten besteht nun
darin, dass bei Wanderung des Troges Luft nach oben angesaugt bzw.
von unten "gehoben" wird. Folglich fällt aus Kontinuitätsgründen der
Luftdruck am Boden und es bildet sich auch dort ein Tiefdruckgebiet
oder ein bereits vorhandenes Tief verstärkt sich. Die atmosphärische
Höhenströmung "steuert" also die Bildung und Verlagerung der Hoch-
und Tiefdruckgebiete im Bodenniveau.

Durch eine "Lee-Zyklogenese" hat sich im nördlichen Alpenvorland
bereits ein flaches Tiefdruckgebiet gebildet. Dieses wird nun durch
eine kurzwellige Komponente des westeuropäischen Troges verstärkt und
zieht bis Freitagabend an der Trogvorderseite über Tschechien und
Polen hinweg ins Baltikum. Dabei ist zunächst im Alpenraum, dann in
den östlichen Mittelgebirgen und später nordöstlich der Elbe mit
ergiebigem Dauerregen zu rechnen, der z.T. schauerartig verstärkt
oder gewittrig ist und gebietsweise Unwettercharakter annehmen kann.
Darüber hinaus lebt die Gewittertätigkeit allgemein im Verlaufe des
heutigen und morgigen Tages in Deutschland wieder auf, wobei erneut
unwetterartige Entwicklungen nicht ausgeschlossen sind.

Unten finden Sie eine vom heutigen 00:00-UTC-Lauf des
Vorhersagemodells des ECMWF berechnete Prognose der geopotentiellen
Höhe der 500-hPa- sowie der 850-hPa-Hauptdruckfläche für Freitag, den
17.06.2016, 12:00 UTC. Das 500-hPa-Niveau (obere Abbildung)
repräsentiert die mittlere Atmosphäre, in der 850-hPa-Fläche (untere
Abbildung) zeigt sich die Struktur der unteren Atmosphäre. Am
Freitagnachmittag liegt der Kern des Bodentiefs an der polnischen
Ostseeküste, die steuernde kurzwellige Komponente über Polen bleibt
noch etwas zurück.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.06.2016

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