Thema des Tages

30-11-2018 09:50

El-Niño - "ein Christkind" beeinflusst wohl wieder das Weltklima

Nachdem es bis in den Frühling diesen Jahres hinein bei negativen
Anomalien der Oberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik keine
Signale für ein neues El-Niño-Ereignis gab, steht das
"Christkind"(spanisch: El-Niño) nun pünktlich zum Ende des Jahres vor
der Tür. Im Laufe des Jahres stiegen die Wassertemperaturen im
Vergleich zum vieljährigen Mittel in den für El-Niño bekannten
Pazifikregionen stetig an und erreichten nun Ende November positive
Abweichungen von über einem Grad (vgl. Graphik 1).

Ein wesentlicher Grund für das El-Niño-Phänomen sind schwächelnde
Passatwinde. Der Passat ist dabei ein mäßig starker und beständiger
Wind im Bereich der Tropen oder teilweise auch der Subtropen (bis
etwa 30° nördlicher oder südlicher geographischer Breite), der rund
um den Erdball auftritt und häufig küstenparallel an den Westküsten
der Kontinente weht. Allgemein unterscheidet man zwischen dem
Nordost-Passat auf der Nordhalbkugel und dem Südost-Passat auf der
Südhalbkugel (vgl. Graphik 2).

Da die Oberflächenströmungen der Meere im Wesentlichen durch Wind
angetrieben werden, sind im tropischen und subtropischen Ozean in
erster Linie die beschriebenen Passatwinde für Meeresströmungen
verantwortlich. Dabei gibt der Wind durch die Reibung einen Impuls
(Bewegungsgröße, Stärke einer bewegten Masse) an das Wasser der
oberflächennahen Schichten des Ozeans ab. Das Wasser wird
entsprechend mit der Windrichtung "gezogen". Durch die Erdrotation
wirkt auf bewegte Flüssigkeiten oder Gegenstände jedoch eine
ablenkende Kraft, die sogenannte Corioliskraft (vgl. unter
www.dwd.de/lexikon, Stichwort "Corioliskraft". Mit der Tiefe nimmt
die Abweichung der Wasserströmung von der herrschenden Windrichtung
stetig zu, bis der Windimpuls seine Antriebskraft komplett verliert
und das Wasser steht. Über die gesamte Tiefe gemittelt kommt es daher
zu dem Effekt, dass sich das Wasser nicht in Windrichtung, sondern in
eine Richtung senkrecht zum Wind bewegt. Bei einem nördlichen Wind
auf der Nordhalbkugel ergibt sich somit ein Nettowassertransport nach
Osten.

Durch diesen sogenannten "Ekman-Transport" wird im Normalfall das
küstennahe relativ warme Oberflächenwasser westwärts von den Küsten
weg auf den Ozean getrieben. Da durch die Kontinente von Osten kein
Wasser nachströmen kann, quillt aus Massenerhaltungsgründen kaltes,
nährstoffreiches Tiefenwasser auf und ersetzt somit das
abtransportierte warme Wasser an der Oberfläche.

Schwächeln nun die Passatwinde wird weniger warmes Oberflächenwasser
von den Küsten Südamerikas ostwärts Richtung Australien und
Indonesien transportiert, sodass das kalte Tiefenwasser kaum oder gar
nicht aufquillt. Dadurch befindet sich das wärmste Wasser nicht mehr
über Südostasien, sondern weiter östlich in Richtung der Westküste
Südamerikas. Der Weg für ein El-Niño-Ereignis ist frei.

Als Maß für die Bewertung und Vorhersage der
"El-Niño-Southern-Oscillation (ENSO)" wird beispielsweise der
sogenannte "Ozean Niño Index (ONI)" verwendet, der auf den mittleren
dreimonatigen Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen in der
Niño3.4 Region (170° W bis 120° W, 5° S bis 5° N) basiert (vgl.
Graphik 1). Als Referenz dienen verbesserte und homogene historische
Analysen der Oberflächenwassertemperatur für den 30-jährigen Zeitraum
zwischen 1981 und 2010. Ein El-Niño-Ereignis ist dabei durch einen
positiven ONI größer oder gleich 0,5 Grad definiert. Bei einem La
Niña-Ereignis liegen ONI-Werte kleiner oder gleich -0,5 Grad vor. Für
die Monate August, September und Oktober 2018 wurde für die Niño3.4
Region als aktueller ONI-Wert eine positive Abweichung der
Oberflächenwassertemperatur von 0,4 Grad festgestellt.

Laut den Modellprognosen ist damit der Startschuss für ein neues
El-Niño-Ereignis gegeben. Demnach soll sich der ONI im Mittel über
alle Modellläufe (gesamtes Ensemble) bis ins Frühjahr hinein auf
einen Wert um 1 Grad einpendeln, aber auch in der Folge bei leichter
Abschwächung signifikant positiv bleiben (vgl. Graphik 3). Selbst für
die Monate Juli, August und September des Jahres 2019 werden noch
positive Wassertemperaturabweichungen über 0.5 Grad vorhergesagt.
Entsprechend liegt die Wahrscheinlichkeit von El-Niño-Bedingungen im
tropischen Pazifik bis ins Frühjahr 2019 um 80%, ab April etwa noch
um 50% (vgl. Graphik 4). Insgesamt kann man nach derzeitigem Stand
von einem "normalen" und nicht von einem überdurchschnittlich stark
ausgeprägten El-Niño-Ereignis ausgehen.

Da El-Niño ein großräumiges meteorologisches Phänomen im äquatorialen
Pazifik ist und somit einen wesentlichen Einfluss auf die zentralen
Zirkulationssysteme hat, können dem "Christkind" nahezu weltweit
meteorologische Auswirkungen zugeschrieben werden. Der Nachweis wird
über statistische Untersuchungen geführt und hat bislang deutliche
Auswirkungen vor allem für den nördlichen Pazifik und Nordamerika
bestätigt. Weniger deutliche Wechselwirkungen sind zwischen ENSO und
dem Nordatlantik sowie Europa bekannt.

Meist kommt es bei einem El-Niño-Ereignis über dem Pazifik und an der
Westküste Südamerikas zu starken Niederschlägen. Im Gegenzug dazu
herrscht im westlichen äquatorialen Pazifik, wo normalerweise
reichliche Niederschläge fallen, außergewöhnliche Trockenheit. Auch
in Südostasien und Australien bleibt es als Folge des "Christkindes"
verhältnismäßig trocken und warm, sodass häufig Dürren auftreten. Als
Fernfolge von El-Niño überwiegen z.B. im Bereich des Amazonas, wo
normalerweise typisch tropisch-feuchte Verhältnisse herrschen, nun
längere trockene Phasen. Auch in Südafrika ist das "Christkind" durch
eine überdurchschnittlich warme und sehr trockene Witterung spürbar.
Im südlichen Teil von Nordamerika zieht die El-Niño-Phase dagegen
meist ein feuchtes und kühles und im Nordwesten ein
überdurchschnittlich warmes Wetter nach sich (vgl. Graphik 5).

Ob und in welcher Größenordnung sich das anstehende El-Niño-Ereignis
auf das Wetter in Deutschland auswirkt, ist nicht abzusehen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.11.2018

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